Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Ukraine: Putin führt den Westen vor von Stefan Stark
Regensburg (ots)
Der Kreml-Chef schafft in der Ukraine Fakten und treibt einen Keil durch Europa.
Die EU und die USA erinnern im Konflikt um die Ukraine an zwei Zirkusbären, die sich vom großen Zampano in Moskau an Nasenringen durch die Manege führen lassen. Während die westlichen Regierungen über eine gemeinsame Antwort auf das russische Vorgehen streiten, schafft Kreml-Chef Wladimir Putin tagtäglich neue Fakten, die sich auf diplomatischem Parkett nicht wegverhandeln lassen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich das Parlament auf der ukrainischen Halbinsel Krim ausgerechnet gestern für einen Beitritt zu Russland aussprach - am selben Tag, an dem der EU-Gipfel über mögliche Strafmaßnamen gegen Moskau beriet. Die eher milden Sanktionen, die US-Präsident Barack Obama jetzt als Antwort beschloss, gehen über Symbolpolitik nicht hinaus. Vor allem verraten sie: Amerika und die Europäische Union ziehen in der Ukraine-Frage nicht an einem Strang. Doch nicht nur deshalb kann sich Putin genüsslich die Hände reiben. Denn auch durch die EU selbst geht ein tiefer Riss, der immer sichtbarer zutage tritt. Der Kreml-Chef kann an einem sehr langen Hebel ziehen. Schon die bloße Vorstellung, Moskau könnte den Energiehahn zudrehen oder Exporte nach Russland würden leiden, lässt vor allem Deutschland erzittern. Im Gegensatz zu den USA sind viele EU-Staaten von Gas- und Ölimporten aus Sibirien abhängig. Gleichzeitig ist Moskau ein wichtiger Exportpartner. Ein weiteres Druckmittel hat Putin über Tausende westliche Unternehmen, die in Russland investiert haben. Als Revanche könnte er jederzeit deren Konten einfrieren. Damit treibt Putin einen Keil durch Europa. Hier stehen die EU-Länder, für die Russland bisher ein wichtiger Wirtschaftspartner war. Dort stehen die osteuropäischen Staaten, die von Putins militärischer Machtdemonstration auf der Krim in einen kollektiven Schock gestürzt wurden. In den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten vergleichen Politiker die aktuelle Krise bereits mit den sowjetischen Einmärschen in Ungarn 1956 und in der Tschechoslowakei 1968. Eine entsprechend harte Antwort der EU verlangen unsere Nachbarn in Prag, in Warschau und den baltischen Staaten, wo das russische Vorgehen als bedrohliche Aggression empfunden wird. Diese deutliche Antwort Europas wird es mit Kanzlerin Angela Merkel aber nicht geben. Mehrfach signalisierte sie, dass sie von Sanktionen nichts hält. Falls sich die EU tatsächlich zu Maßnahmen durchringen sollte, werden sie wohl so ausfallen, dass sie Moskau nicht wirklich wehtun. Brüssel zieht die Scheckbuch-Diplomatie vor. Mit Milliardenhilfen soll verhindert werden, dass die Ukraine bereits in den kommenden Wochen kollabiert. Dann würde die Situation außer Kontrolle geraten - und Putin hätte einen Vorwand, auch in andere Landesteile "Selbstverteidigungskräfte" zu entsenden. Abseits davon tobt eine Propaganda-Schlacht - wie die Gerüchte, dass die Scharfschützen auf dem Maidan aus den Reihen der Opposition stammten. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt solcher Meldungen verfehlen sie ein Ziel nicht: Der neuen Regierung in Kiew die Legitimität abzusprechen - wie Putin es von Anfang an tat. Solche Legitimitätsfragen stellt der Kreml in moskautreuen Staaten nicht. Mit der Invasion auf der Krim untermauert Putin seinen Machtanspruch auf die Ukraine. Russland wird es nicht zulassen, dass die EU oder die Nato bis an die eigene Grenze heranrücken, lautet seine überdeutliche Botschaft. Angesichts dieser verhärteten Fronten ist es bereits eine gute Nachricht, dass man überhaupt noch miteinander spricht. Es war Merkel, die verhinderte, dass noch nicht alle Türen zugeschlagen sind. Jetzt muss sie Putin klarmachen, dass auch er irgendwann einen Preis bezahlen muss, wenn er einen neuen Kalten Krieg heraufbeschwört.
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