Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Asylpolitik
Regensburg (ots)
von Hanna Vauchelle
Während man sich in Europa über das schöne Frühlingswetter freut, bringt es illegalen Bootsflüchtlingen häufig den Tod: Denn kaum legen sich Winter- und Gewitterstürme, blüht das Geschäft der Menschenschleuser. Auf seeuntüchtigen Nussschalen pferchen sie Auswanderer ein und schicken sie zu Tausenden auf die gefährliche Fahrt übers Mittelmeer. Geht die Reise nicht direkt in den Tod, endet sie in den Abschiebe-Lagern an Italiens und Griechenlands Küsten. Erst gestern griff die italienische Marine erneut 900 Flüchtlinge auf. Weitere 600 000 sollen an libyschen Stränden auf ihre Chance warten. Europa wird sich auf alarmierende Nachrichten gefasst machen müssen. Die letzte Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa ist erst wenige Monate her. Damals übertrafen sich Europas Politiker gegenseitig an Betroffenheit. Seitdem ist tatsächlich etwas passiert: Sowohl die Grenzschützer der EU-Agentur Frontex als auch die nationalen Küstenwachen haben nun den expliziten Auftrag, Schiffbrüchigen zu Hilfe zu kommen. Das war nicht immer so. Italienische Fischer machten sich bis zuletzt sogar strafbar, wenn sie Flüchtlinge in Seenot retteten. Insofern hat die EU hier wirklich Fortschritte gemacht. Auch das Hightech-Überwachungssystem Eurosur wird seinen Beitrag dazu leisten, Schiffbrüchige schneller aufzuspüren. Genauso wichtig ist es jedoch, den Menschenhändlern das Handwerk zu legen. Diese nutzen Europas neueste Order an Frontex --nämlich den Schiffbrüchigen zu helfen - längst für ihre Zwecke aus. Schrottboote werden mit noch mehr Menschen beladen, die Havarie wird zum Kalkül. Und so füllen sich die Auffanglager an Europas Küsten wieder. Die Mitgliedsstaaten sind gut beraten, wenn sie Italien dabei zu Hilfe kommen. Gerade jetzt, wo die Europa-Wahl vor der Tür steht, muss die Flüchtlingsproblematik mit Sachverstand diskutiert werden. Die etablierten Parteien dürfen das Thema nicht den Rechtspopulisten überlassen, die mit billiger Panikmache vor illegaler Einwanderung auf Stimmenfang gehen. In der Debatte muss es auch darum gehen, die Idee einer koordinierten Einwanderung nach Europa zu entwerfen. Natürlich stimmt es, dass eine Besserung der Zustände in den jeweiligen Heimatländern das Problem von selbst lösen würde. Weniger Flüchtlinge würden die gefährliche Reise auf sich nehmen, wenn sie ein wirtschaftliches Auskommen in ihrer Heimat hätten. Doch man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Solange in Libyen, Syrien, Mali oder der Zentralafrikanischen Republik so gut wie keine staatliche Ordnung herrscht, findet die europäische Entwicklungspolitik unter erschwerten Bedingungen statt. Millionenhilfen drohen, nutzlos zu verpuffen. Ebensowenig hilfreich ist die Forderung nach einer Komplettöffnung der EU-Außengrenzen. Es gibt kein Land auf der Welt, das dies tut. Abgesehen von politischen Flüchtlingen, die in der EU sowieso ein Recht auf Aufnahme haben, sollten sich die Mitgliedsstaaten deshalb zu echten Solidarmaßnahmen bekennen. Um die Mittelmeer-Anrainer zu entlasten braucht es eine gerechtere Lastenverteilung bei der Aufnahme und Betreuung der Asylsuchenden. Die Dublin-Verordnung steht diesem Ansinnen im Weg. Darüber hinaus braucht Europa einen Plan für eine koordinierte, legale Einwanderung aus Drittstaaten. Quoten für einzelne Länder wie es sie beispielsweise in den USA gibt, müssten auch in der EU eingeführt werden. Sowohl Martin Schulz als auch Jean-Claude Juncker, die sich beide um den Kommissionsvorsitz bewerben, wollen sich für einen solchen Plan stark machen. Bleibt zu hoffen, dass diese Ansage mehr ist als reines Wahlkampf-Getöse. Europa als reichster Kontinent muss seiner Verantwortung gerecht werden.
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