Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Silvio Berlusconi: Politische Altenpflege, von Julius Müller-Meiningen
Regensburg (ots)
Es war ein unspektakulärer Auftritt, den Silvio Berlusconi am Freitag hinlegte. Voller Ernst betrat der viermalige italienische Ex-Premier erstmals die Pflegeeinrichtung bei Mailand, in der er ein Jahr lang vier Sozialstunden pro Woche ableisten muss. Dazu hatten ihn die Richter wegen des Steuerbetrugs bei seinem Medienunternehmen Mediaset verurteilt. Zusätzlich hat das Gericht festgelegt, dass Berlusconi jeden Abend spätestens um 23 Uhr in seiner Privatresidenz eingetroffen sein muss. Viel milder kann man einen - wenn auch 77 Jahre alten Straftäter - nicht behandeln. Der eigentliche Zweck, die Resozialisierung des Täters, ist in seinem Fall ad absurdum geführt. Dass Berlusconi nach seiner Erfahrung mit etwa gleichaltrigen Alzheimer- und Demenzkranken zur Besinnung kommt, ist nicht zu erwarten. Die politische Frage der milden Behandlung durch die Richter lautet jedoch: Kann der erstinstanzlich wegen bezahltem Sex mit einer Minderjährigen verurteilte Chef der Partei "Forza Italia" Nutzen ziehen aus seiner Sonderbehandlung durch die Justiz? Der Verdacht liegt nahe, dass der Inszenierungskünstler Berlusconi auch seine Altenpflege zu Wahlkampf-Zwecken ausschlachten wird. Italiens Fernseh- und Radiosender tun das Ihre, indem sie sich um Interviews mit dem Politiker, der dieser Nachfrage nur zu gerne nachgibt, reißen. Da trifft es sich für den verurteilten 77-Jährigen gut, dass die meisten seiner Wähler ebenfalls Senioren sind. Die Justiz schaut zu.
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