Mittelbayerische Zeitung: Unions-Krach mit Folgen - Die CDU könnte die Mautpläne der CSU stoppen. Der Streit zeigt den christsozialen Bedeutungsverlust. Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Die Pkw-Maut komme so sicher wie die deutsche Fußballnationalmannschaft das Endspiel der Weltmeisterschaft erreiche, bot Verkehrsminister Alexander Dobrindt allen Zweiflern am CSU-Projekt noch im Juni Wetten an. Nun ja, die Kicker von Jogi Löw haben bekanntlich nicht nur das Finale erreicht, sondern nach hartem Kampf gegen die Argentinier auch die WM-Trophäe erobert. Ob Dobrindt allerdings auch den Maut-Pokal erringen wird, wird dagegen von Tag zu Tag fraglicher. Ausgerechnet die Schwesterpartei CDU schickt sich an, die bayerischen Mautpläne zu Fall zu bringen. Allerdings zeigt der Streit um den modernen Straßenzoll nur noch einmal den galoppierenden Bedeutungsverlust der CSU auf Bundesebene. Die Entscheidung über deutsche Waffenlieferungen an irakische Kurden etwa fiel gänzlich ohne CSU-Minister. Alexander Dobrindt ist einer, vielleicht sogar der aussichtsreichste von Horst Seehofers Kronprinzen. Ein funktionierendes Mautgesetz, das nur ausländische Straßenbenutzer in Deutschland belastet, einheimische Kraftfahrer dagegen ungeschoren davon kommen lässt, ist sozusagen das Gesellenstück, das Seehofer seinem möglichen Nachfolger aufgetragen hat. Manche meinen freilich, es sei wie die Quadratur des Kreises - also schlicht nicht machbar. Schafft Dobrindt es, alle rechtlichen, europäischen und bürokratischen Klippen der Pkw-Maut zu meistern, dann wäre er ganz sicher die Nummer 1 unter den vielen Seehofer-Nachfolgeaspiranten. Scheitert der einstige Schützenkönig von Peißenberg jedoch, dann wäre sein Traum vom bayerischen Landesvater geplatzt. Aigner, Söder und - nein, Haderthauer wohl nicht mehr - beobachten mit heißem Interesse, ob die Maut denn nun kommt oder etwa doch nicht. Was die Sache jetzt so wacklig werden lässt, ist nicht etwa Widerstand aus der SPD, sondern die geballte Gegenwehr aus den größten Landesverbänden der CDU. Die Sozialdemokraten lehnen die Pkw-Maut zwar weiterhin ab, verhalten sich jedoch brav koalitionstreu und schauen dem Treiben innerhalb der Union genüsslich zu. Die Union in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz allerdings meckert inzwischen nicht nur über Dobrindts Maut-Konzept, das gerade mal als Eckpunkte-Papier vorliegt, sondern sie organisieren wirklichen Widerstand. Sollte die größte CDU-Landesgruppe im Bundestag, die aus NRW, diese Woche wirklich eine Art Anti-Maut-Beschluss fassen, dann brennt, bildlich gesprochen, der Baum. Mit den beiden CDU-Vizes Julia Klöckner und Thomas Strobl wird die Streitmacht wider die Pkw-Maut nun auch nicht gerade von Hinterbänklern angeführt, sondern von hochrangigen Unionsgranden. Der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel kann der heimlich-unheimliche Unionsstreit um den Straßenzoll nicht gleichgültig sein. Doch offenbar lässt sie die Debatte einfach laufen. Auch Merkel ist ganz und gar kein Fan der Pkw-Maut. Sie hält Abstand dazu und betont immer wieder, sie werde das Projekt nur mittragen, wenn es unbürokratisch machbar und Europa-verträglich zu machen sein sollte. Dass Merkel damit ein Herzensanliegen von Seehofer nur halbherzig begleitet, vielleicht sogar das Scheitern nicht verhindern würde, schert die Kanzlerin nicht weiter. Die Klagen der ausländischen Nachbarn sowie der einheimischen Gastronomen und Handwerker über eine deutsche Straßennutzungsgebühr nimmt sie dagegen sehr ernst. Merkels einstiger Mentor Helmut Kohl hat vor rund 30 Jahren mit dafür gesorgt, dass die Grenzen in der EU fallen. Dass die CSU nun eine Art Eintrittsgeld für alle motorisierten Gäste verlangen will, passt nicht zum großen historischen Bogen. Und viel Geld zum Flicken maroder Straßen spült die Auto-Maut ohnehin nicht in die Kassen.
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