Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Stefan Stark zu Ebola
Regensburg (ots)
Im Hollywood-Film "Outbreak" lässt ein skrupelloser US-General mit einem Bombenangriff ein afrikanisches Dorf vernichten, in dem ein tödliches Virus wütet. Als die extrem ansteckende Ebola-Variante einige Jahre später in einer amerikanischen Kleinstadt auftaucht, will der Filmbösewicht das menschenverachtende Spiel dort wiederholen. Natürlich ist dieses Szenario eine Leinwand-Fiktion. Doch zwei Botschaften daraus sind keine Erfindung von Drehbuchautoren: Viren kennen keine Grenzen - und sie können gefährlich mutieren. Wie ernst die Lage der aktuellen Ebola-Epidemie in Westafrika ist, lässt sich daran ablesen, dass sich der UN-Sicherheitsrat heute in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Thema befasst. Es ist erst das zweite Mal, dass sich das wichtigste Gremium der Welt überhaupt mit einer Gesundheitskrise beschäftigt - vor 15 Jahren stand Aids auf der Agenda. Die Ankündigung von Barack Obama, 3000 Soldaten nach Afrika zu entsenden, um beim Aufbau von Gesundheitszentren zu helfen, sendet gleichzeitig ein klares Signal, das auch die Europäer wachrütteln sollte. Spät, hoffentlich nicht zu spät, rafft sich die internationale Gemeinschaft auf, um die Epidemie einzudämmen. Die Gefahr in Afrika wurde lange unterschätzt. Im Gegensatz zu früheren Ebola-Ausbrüchen sind die Folgen diesmal nicht lokal begrenzt. Die Krankheit hat inzwischen mehrere Staaten erfasst. Sie ist außer Kontrolle geraten, weil die lokalen Gesundheitsbehörden nicht über die Mittel für eine effiziente Seuchenbekämpfung verfügen und weil die Welt die ehrenamtlichen Helfer in ihrem Kampf gegen Ebola weitgehend alleingelassen hat. Zu Recht warnt Obama vor dramatischen Konsequenzen: Weil sich die Krankheit exponentiell ausbreiten könnte, sind in wenigen Monaten möglicherweise Hunderttausende Menschen in halb Afrika infiziert. Die Zeit läuft davon: Wenn die betroffenen Staaten nicht bald effiziente Hilfe bekommen, wird dort das Gesundheitssystem, das schon längst an seine Grenzen stößt, zusammenbrechen. Schlimmstenfalls führt das zur Destabilisierung mehrerer Länder - mit unkontrollierbaren Folgen. Staaten wie Sierra Leone oder Liberia, die jahrzehntelange Bürgerkriege hinter sich haben, könnten wieder in Chaos und Anarchie versinken. Das wäre dann ein willkommener Nährboden für extremistische Terrorgruppen wie die Boko Haram. Soweit muss es nicht kommen. Zwar gibt es noch keinen Impfstoff gegen Ebola. Aber die Übertragungswege der Krankheit sind bekannt. Durch Hygiene, Quarantäne und Aufklärung der Bevölkerung ließe sich Ebola wirksam eindämmen. Genau das kann ein Heer von Experten leisten - aber nur, solange eine kritische Zahl von Infizierten nicht überschritten wird. Die Europäer müssen nicht fürchten, dass die Epidemie auf den alten Kontinent überspringt. Zwar ist es angesichts der globalisierten Welt wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis einzelne Erkrankungen hier auftreten. Doch im Gegensatz zu Afrika verfügen wir über ein ausgeklügeltes medizinisches System, das eine epidemische Ausbreitung verhindern kann. Todes-Viren wie der Ebola-Erreger berühren tief die Urängste der Menschen. Im Mittelalter löschte die Pest ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung aus - rund 25 Millionen Menschen. Vor 100 Jahren wütete die spanische Grippe - die bislang schlimmste Epidemie der Geschichte. 50 Millionen Menschen fielen der Krankheit zum Opfer. Die aktuelle Variante des Ebola-Virus besitzt dieses Vernichtungspotenzial nicht, weil es sich nur durch direkten Kontakt oder durch die Berührung von Körperflüssigkeiten verbreitet. Die eigentliche Gefahr der lautlosen Killer lauert in der Mutation von Viren - etwa in Varianten, die sich über die Luft verbreiten. Wir dürfen dem Erreger keine Zeit lassen, sich im menschlichen Körper noch besser an seinen Wirt anzupassen. Sonst könnte die Wirklichkeit die Phantasie der kühnsten Hollywood-Produzenten in den Schatten stellen.
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