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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Schottland

Regensburg (ots)

Es ist noch einmal gut gegangen. Schottland bleibt Teil von Großbritannien. Der kollektive Seufzer der Erleichterung war am Freitagmorgen nicht nur in London, sondern in ganz Europa zu hören. Die negativen Konsequenzen einer schottischen Unabhängigkeit hat sich niemand ausmalen wollen. Obwohl Schottland ein kleines Land ist, hätte eine Abspaltung einen seismischen Schock ausgelöst, der nicht nur im Rest-Königreich, sondern auch weit über seine Grenzen hinweg schlimme Verwerfungen angerichtet hätte. Schottland hatte Angst vor der Katastrophe. Dabei hatten die rund zwei Millionen Nein-Wähler weniger die Welt als ihr eigenes Land im Blick. Man wusste: Eine Entscheidung für die Unabhängigkeit ist unumkehrbar. Man blickte über den Klippenrand und schreckte zurück. In der Stille der Wahlkabine hatten viele Unentschlossene ihren "Hamlet-Moment" und zauderten. Angesichts der Monumentalität des Schrittes in die Unabhängigkeit und eingedenk einer unsicheren Zukunft hielten sie am Bewährten fest und stimmten mit Nein. Das ist gut so, denn es war nicht nur ein Sieg der Angst. Das Nein ist auch ein Sieg für die Solidarität mit dem Rest des Königreichs. Es ist natürlich, dass bei einer Scheidung der aktive Teil an seine eigene Zukunft denkt. Es ist aber genauso ehrenwert, wenn der andere Teil überzeugt ist, dass man zusammen besser dasteht, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile sein kann und dass eine Gemeinschaft, die 307 Jahre gehalten und Britannien groß gemacht hat, erhalten werden sollte. Wie wird es weitergehen in einem Land, in dem 1 617 989 Wähler - das sind immerhin 45 Prozent, so viele wie niemals zuvor - den Traum vom nationalen Alleingang träumten? Sie sind jetzt bitter enttäuscht: Da hatte man die Chance seines Lebens und sie wurde vertan. Kann man wieder zusammenwachsen? Bleibt nicht die Frage der Unabhängigkeit eine schwärende Wunde, die immer wieder aufbrechen wird? Der Ausgang des Volksentscheids, bei dem die Unionisten einen Vorsprung von zehn Prozent hatten, ist zum Glück deutlich genug ausgefallen. Und beide Seiten, die Unionisten aber auch die Separatisten, haben unterstrichen, dass das Referendum die Angelegenheit für eine Generation geklärt hat: So schnell wird kein neuer Volksentscheid angesetzt werden. Und zum anderen macht sich das Vereinte Königreich jetzt auf, eine konstitutionelle Erkundungsfahrt zu unternehmen. Nicht nur in Schottland, auch in den anderen Landesteilen England, Wales und Nordirland soll es zu mehr Autonomie und Selbstbestimmung kommen. Das heißt für Schottland, dass das Regionalparlament Vollmachten erhalten soll, eigene Steuern zu erheben und die Gelder in zusätzlichen Bereichen einsetzen zu können. Das ist ein Projekt an dem auch enttäuschte Nationalisten mitarbeiten können. Für den Rest des Königsreichs wird es nicht weniger spannend werden. Die walische nationalistische Partei Plaid Cymru fordert mehr Rechte für die Nationalversammlung in Cardiff, während man von englischer Seite hört, dass der fiskalische Lastenausgleich zugunsten der Engländer neu ausbalanciert werden müsse. Auf Großbritannien kommen interessante Zeiten zu. Europa schließlich darf aufatmen, dass aus einem unabhängigen Schottland nichts geworden ist. Das hätte ja nicht nur ein geschwächtes Großbritannien zur Folge gehabt, sondern auch einen weiteren Schritt zur Balkanisierung der Europäischen Union bedeutet. Angesichts der wirtschaftlichen Herausforderung durch China und der Gefahr durch einen erstarkenden Islamismus kann man es sich nicht leisten, wieder in Kleinstaaterei zu machen. In einer solchen Welt braucht es Solidarität. Wer zusammensteht, ist stärker.

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