Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Nina Jeglinski zu Ukraine
Regensburg (ots)
Der Westen hat der ukrainischen Führung in den vergangenen Wochen unmissverständlich klargemacht, dass es eine Lösung des Konfliktes in der Ost-Ukraine nur im Dialog geben kann. Zuletzt holte sich Präsident Petro Poroschenko auf seiner USA-Visite Ende der Woche einen Korb. Präsident Barack Obama schlug die Bitte des Ukrainers aus, das von Russland bedrängte Land mit robustem Militärgerät zu unterstützen. Zuhause in Kiew muss sich der erst im Mai mit überragendem Ergebnis ins Amt gewählte Präsident dafür harte Kritik anhören. Eine große Gruppe in der ukrainischen Gesellschaft hatte gehofft, dass nach der Annexion der Halbinsel Krim im März die EU und die USA Russland keine weiteren Landgewinne in der Ukraine durchgehen lassen würden. In Brüssel hatte man wohl auch lange gedacht, Putin werde sich mit der Krim begnügen. Stellungnahmen des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz vom Frühjahr dieses Jahres lassen das zumindest vermuten. Doch die Realität ist eine völlig andere. Weder die vom Westen verhängten Sanktionen noch die Dauerkritik von westlichen Partnern halten den russischen Präsidenten davon ab, die Ukraine als eigenständigen Staat weiter zu destabilisieren. Sein, wie er in russischen und ukrainischen Medien genannt wird, Hybrid-Krieg gegen Kiew geht Tag für Tag weiter. Trotz Gesprächsrunden in Brüssel, Wales, Minsk oder möglicherweise demnächst in Wien. Während an grünen Tischen über Waffenstillstand und die Einrichtung entmilitarisierter Zonen geredet wird, setzen die Separatisten zusammen mit russischen Militärangehörigen ihre Arbeit in der Ost-Ukraine ungerührt fort. Der am 5. September zusammen von OSZE, Russland und dem früheren ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma ausgerufene Waffenstillstand - Kutschma werden enge politische und geschäftliche Kontakte zu Kremlchef Putin nachgesagt - ist bis heute über 450 Mal gebrochen worden. Seit Tagen toben am Flughafen Donezk schwere Kämpfe, am Wochenende wurde eine Rüstungsfabrik getroffen, Munitionsbestände explodierten. Eigentlich sollten ab Samstag 1 Uhr die Einrichtung einer Pufferzone und die Entmilitarisierung der Kämpfer starten. Stattdessen verharren die Truppen der ukrainischen und russischen Seite in ihren Stellungen, weil keiner an einen dauerhaften Frieden glaubt. Um die Stadt Mariupol wird der Kreis enger, russische Geheimverbände sickern in die Stadt ein, Experten befürchten, dass die südukrainische Stadt in Kürze unter russische Kontrolle fallen wird. Ohne dramatische Kämpfe, sondern schleichend. Präsident Poroschenko hat auf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und auf US-Präsident Obama vertraut, hat gehofft, der Westen werde seine Strategie ändern und der Ukraine Waffen liefern. Doch nun steht Poroschenko da und muss seinen Landsleuten erklären, dass weite Teile der Ost-Ukraine ebenso wie die Krim verloren sind. Hinzu kommt, dass er Mitte vergangener Woche auch noch ein umstrittenes Gesetz durch das Parlament hat peitschen lassen. Ohne Debatte und in nicht-öffentlicher Abstimmung beschloss die Rada mit zweifelhafter Mehrheit - die elektronische Anzeige der abgegebenen Stimmen fiel ausgerechnet an diesem Tag aus - einen Sonderstatus der Gebiete Lugansk und Donezk, der den Regionen eine faktische Eigenständigkeit zugesteht. Zwar wurde das Ganze auf drei Jahre begrenzt, aber jedem in Kiew ist klar, dass die Gebiete so schnell nicht wieder zurückzubekommen sind. Poroschenko ist noch am Tag der Parlamentsabstimmung in die USA geflogen und erst an diesem Wochenende zurückgekehrt. Die neue Woche dürfte für ihn stürmisch werden.
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