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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Julius Müller-Meiningen zu Papst Franziskus

Regensburg (ots)

Franziskus redet viel, manche behaupten zu viel. Fest steht: Niemals zuvor hat ein Papst die Öffentlichkeit so in seinen Bann gezogen, nicht einmal der Weltreisende Johannes Paul II. Das liegt an überhitzten Mechanismen im Medien-Zeitalter, Franziskus ist dafür aber auch selbst verantwortlich. Häufig gibt er Interviews und auf seinen Reisen Pressekonferenzen. Nicht immer sind seine Worte eindeutig. Gute Katholiken müssten nicht "wie die Karnickel" Kinder zeugen, sagte Franziskus auf seiner jüngsten Asienreise. In der Kurie schlugen nicht wenige Prälaten die Hände über dem Kopf zusammen. Der Vatikan sah sich gezwungen, die saloppen Worte zurecht zu rücken: Der Papst begrüße kinderreiche Familien, er habe für eine verantwortungsvolle Familienplanung im Einklang mit dem kirchlichen Verbot künstlicher Verhütungsmittel werben wollen. Gefragt nach dem Terrorangriff auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo, sagte Franziskus: "Wenn einer meine Mutter beleidigt, haue ich ihm eine rein." Und stiftete so Verwirrung über das Gebot christlicher Nächstenliebe. Kommentatoren reagierten hysterisch, wieder sah sich der Vatikan zu einer Erklärung veranlasst. Nein, Franziskus wolle den Terrorakt nicht verteidigen, sondern nur aufzeigen, dass religiöse Gefühle berücksichtigt werden müssen. Der Papst sorgt für Verwirrung. Er drückt sich missverständlich aus, wird fehlbar. Dieses Dilemma schreckt insbesondere katholische Milieus auf, die die klaren Worte der Vorgänger schätzten und in ihnen Sicherheit für ihren Glauben fanden. Franziskus ist anders, er interpretiert sein Amt völlig neu. Er erfüllt weniger seine Rolle als oberster Glaubenshüter, sondern gibt sich als kommunizierender Pastor, der spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Die Worte des Papstes stiften Unruhe, sie regen auf. Für die katholische Kirche ist das in erster Linie gut. Franziskus will gehört werden, die Genauigkeit seiner Aussagen ist für ihn sekundär. Seine Mission ist, die Kirche greifbar zu machen als Institution für die Menschen. Die Wortwahl entspricht seiner Vorstellung von einer integrierenden Kirche und nicht einer ausgrenzenden Institution, die sich mit erhobenem Zeigefinger Gehör verschafft. "Die Realität ist wichtiger als Ideen", lautet eines seiner Lieblingszitate, das gleichsam einen Kompass zum Verständnis des Pontifikats liefert. Die Frage bleibt allerdings, wie viel Verwirrung und Ungenauigkeit eine Institution verträgt, die dogmatische Klarheit als eines ihrer konstituierenden Elemente versteht. Franziskus überfordert seine Institution. Die bei der Familien-Synode offenkundig gewordenen Spannungen im Welt-Episkopat sind Ausdruck dieser inneren Krise, deren Auswirkungen erst nach dem Pontifikat des heute 78-jährigen Papstes ganz sichtbar werden dürften. Es wäre keine Überraschung, wenn die Kardinäle im nächsten Konklave einen weniger extrovertierten und auf die Klarheit der Lehre konzentrierten Glaubenshüter wählen würden. Unterdessen entzieht sich dieser Papst bald zwei Jahre nach seiner Wahl weiter einer Einordnung nach traditionellen Kategorien. Seine Aufmerksamkeit für seelsorgerische, also praktische Aspekte scheint Haltungen entgegenzustehen, die ihn als Konservativen erscheinen lassen. Franziskus hat mehrfach die umstrittene "Pillen-Enzyklika" Humanae vitae verteidigt, in der Paul VI. künstliche Geburtenkontrolle verbot. Franziskus geißelt nicht nur die Kurie, sondern auch Abtreibung oder die "ideologische Kolonisation" der Familie, eine indirekte Kritik an der Homo-Ehe. Gelegentlich wird behauptet, es bestehe die Gefahr, dass die oft vagen Aussagen des Papstes von verschiedensten Seiten vereinnahmt werden können. Nicht selten hingegen wirkt dieses Phänomen ausgerechnet wie Franziskus' größter Trumpf.

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