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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Louisa Knobloch zum Fukushima-Jahrestag

Regensburg (ots)

Vier Jahre nach der Natur- und Atomkatastrophe vom 11. März 2011 ist Fukushima zumindest in Deutschland weitgehend aus den Nachrichten verschwunden. Auch die Tourismusbranche in Japan hat sich seither wieder erholt. 2011 waren die Besucherzahlen aus Angst vor der Strahlung dramatisch eingebrochen - 2014 kamen jedoch schon wieder mehr als 13 Millionen Touristen ins Land. 2020, wenn die Olympischen Sommerspiele in Japan stattfinden, werden sogar 20 Millionen Besucher erwartet. Für die Tourismusindustrie ist diese Entwicklung erfreulich. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Folgen von Fukushima in Japan noch immer deutlich zu spüren sind - und es auch noch für Jahrzehnte sein werden. Rund 120 000 Bewohner der Präfektur Fukushima sind immer noch vor der Strahlung auf der Flucht. Die Dekontaminierung der Dörfer und Städte kommt nur langsam voran, bis 2017 sollen die Arbeiten der japanischen Regierung zufolge abgeschlossen sein. In der Zwischenzeit stehen die Flüchtlinge vor der Wahl: Sollen sie auf eine Rückkehr in ihre alte Heimat hoffen oder versuchen, woanders dauerhaft ein neues Zuhause zu finden? Besonders schwierig ist es für diejenigen, die nicht auf staatliche Anordnung hin evakuiert wurden, sondern aus Angst vor der Strahlung freiwillig ihre Heimat verlassen haben, denn sie erhalten keine Entschädigung von der Betreiberfirma TEPCO. Dass die Situation auch vier Jahre nach der Katastrophe noch lange nicht unter Kontrolle ist, zeigen auch rund 1000 Tanks mit kontaminiertem Wasser auf dem Geländer des Atomkraftwerks Fukushima und Hunderte Säcke mit verseuchtem Erdreich, das die Helfer in der Region abgetragen haben. Was mit all diesem radioaktiven Müll geschehen soll, ist noch ungeklärt - ins Meer leiten oder verbrennen ist jedenfalls keine Lösung. Zu den logistischen Problemen kommen die immensen Kosten der Aufräumarbeiten. Zudem belasten die hohen Preise für Öl- und Gasimporte Japans ohnehin kriselnde Wirtschaft weiter. Die Importe sind nötig, um den Energiebedarf des Landes zu decken, da die japanischen Kernkraftwerke nach der Katastrophe von Fukushima vorübergehend abgeschaltet worden waren. Regierungschef Shinzo Abe plant allerdings, allem Protest aus der Bevölkerung zum Trotz, die Meiler wieder in Betrieb zu nehmen - die ersten könnten im Sommer ans Netz gehen. Über einen Wiedereinstieg in die Kernenergie denkt in Deutschland glücklicherweise niemand ernsthaft nach. Die Entscheidung der Bundesregierung, die deutschen Atomkraftwerke bis Ende 2022 abzuschalten, war richtig. Aber auch hierzulande sind noch viele Probleme ungelöst: So wird die Suche nach einem Endlager wohl noch Jahre dauern, während der Berg an Atommüll vorerst weiter wächst und in der Asse die Fässer verrosten. Die Energiewende kommt ebenfalls nicht so schnell voran, wie es nötig wäre. Der Transport von Windenergie aus dem Norden Deutschlands in den Süden scheitert an den fehlenden Stromtrassen. Beim geplanten Bau von zwei Höchstspannungsleitungen steht Bayern auf der Bremse. "2 minus x" lautet hier die Devise von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Einer der Gründe für die Haltung der Staatsregierung ist, dass es in der Bevölkerung Widerstand gegen die "Monstertrasse" gibt. Sicher sind die 70 Meter hohen Leitungsmasten kein schöner Anblick. Ein Atomkraftwerk in der Nachbarschaft allerdings auch nicht. Und der Bau von neuen Gaskraftwerken ist wirtschaftlich Unsinn. Dass die Gefahren der Atomkraft nicht beherrschbar sind, hat Fukushima eindrücklich gezeigt. In Deutschland sollte der Netzausbau von der Politik daher schnell vorangetrieben werden, damit die erneuerbaren Energien ihr Potenzial entfalten können.

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