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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zum Betreuungsgeld

Regensburg (ots)

Wird Manuela Schwesig zur nächsten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger? So absurd wie diese Frage im ersten Moment klingt, ist sie nicht. Die wackere ehemalige Justizministerin der FDP klagte einst in der Opposition gegen die Vorratsdatenspeicherung. Jahre später, als sie im schwarz-gelben Kabinett saß, musste sie die umstrittene Datensammelei vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen. Leutheusser-Schnarrenberger tat dies nur halbherzig. Wohl nicht nur deshab kippte Karlsruhe das Gesetz. Manuela Schwesig, heute Bundesfamilienministerin, ließ im Bundestagswahlkampf 2013 kein gutes Haar am Betreuungsgeld. Über die "Fernhalteprämie" für Mütter mit kleinen Kindern vom Arbeitsmarkt wetterte die SPD-Frau aus dem Osten. Und mit ihr Grüne, Linke, Frauenverbände, Wirtschaft und einige Bundesländer. Hamburg, damals von der SPD alleinregiert, bezweifelte die Verfassungsmäßigkeit des Betreuungsgeldes, das für Kinder zwischen 15 Monaten und drei Jahren gezahlt wird, wenn die nicht in geförderte Einrichtungen gehen. Es ist ein Treppenwitz, dass nun ausgerechnet die schärfsten Betreuungsgeld-Kritiker Manuela Schwesig und ihr Staatssekretär Ralf Kleindiek, der die Verfassungsklage in seiner Hamburger Zeit maßgeblich ausarbeitete, diese politische Trophäe der CSU verteidigen müssen. Das ist in etwa so, wie wenn ein evangelischer Pfarrer den Auftrag bekäme, das katholische Zölibat zu rechtfertigen. Besondere Leidenschaft ist da nicht zu erwarten, Glaubwürdigkeit erst recht nicht. Damit die SPD-Regierungsvertreter aus Berlin die Sache jedoch nicht gar zu halbherzig bestreiten, ist eigens Bayerns Sozialministerin Emilia Müller nach Karlsruhe gereist. Das bedeutet wohl: Kämpft der von Schwesig entsandte Staatssekretär nicht ordentlich, droht seine Abberufung aus dem Fall. Die Bundesfamilienministerin indes kann nach Lage der Dinge nur gewinnen. Stoppt Karlsruhe das Betreuungsgeld, kann sie sich hinter den Richtern verschanzen und erklären, sie habe alles unternommen, um dieses Herzensanliegen der Christsozialen zu verteidigen. Geben die Verfassungsrichter dem Betreuungsgeld jedoch statt, dann kann Schwesig mit den Schultern zucken und sagen: tut mir leid, es gilt die Koalitionsräson. Abseits der politischen Scharmützel, die nun um die im August 2013 rechtzeitig vor der Bundestagswahl eingeführte "Herdprämie" wieder aufleben, bleibt freilich zu konstatieren, dass das Betreuungsgeld kein völliger Flop ist. Diese Sozialleistung wird besonders in Bayern und Baden-Württemberg kräftig nachgefragt. Ihr Ziel war es ja auch, den Eltern mit kleinen Sprösslingen Wahlfreiheit - entweder Betreuung zu Hause oder in einer Einrichtung beziehungsweise bei einer Tagesmutter - zu ermöglichen. Weil die Ausstattung mit Kita-Plätzen vor allem in den alten Ländern immer noch dem Bedarf hinterher hinkt, sorgt das Betreuungsgeld insofern für einen gewissen Ausgleich. Eltern, die ihre Kinder in den ersten drei Jahren zu Hause betreuen wollen, erhalten dafür einen kleinen staatlichen Zuschuss, der gerne mitgenommen wird. Freilich dürfen darüber nicht die gravierenden Nebenwirkungen übersehen werden. Das Betreuungsgeld setzt damit zugleich den Anreiz, kein Angebot frühkindlicher Bildung, etwa Sprachförderung und Betreuung zu nutzen. Das kann sich vor allem für Kinder in Migrantenfamilien nachteilig auswirken. Hier können Defizite entstehen, die später nur schwer oder gar nicht aufgeholt werden. Das Betreuungsgeld ist kein Flop geworden, ein Wundermittel der Familienförderung ist jedoch auch nicht.

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