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Mittelbayerische Zeitung: Den Flüchtlingen sei Dank
Die CSU profitiert von der Massenflucht. Das kann man ihr nicht vorwerfen - ihren Tonfall schon. Leitartikel von Sebastian Heinrich

Regensburg (ots)

Alle Jahre wieder: Kaum sind in den deutschen Wohnzimmern die Weihnachtsglöckchen verklungen, schallt es aus den CSU-Büros in Berlin. Schon Tage vor der Klausur ihrer Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth läuten die Christsozialen das neue politische Jahr ein - mit unüberhörbaren, metallisch harten Tönen. Es geht seit ein paar Jahren oft um Zuwanderung, seit dem letzten Jahr besonders um Flüchtlinge. Wie sollte es auch anders sein: Kein Thema hat die Nation im Jahr 2015 so stark bewegt. Und keine im Bundestag vertretene Partei hat von der hunderttausendfachen Flucht nach Deutschland so stark politisch profitiert wie die CSU. Das liegt daran, dass sich die bayerischen Konservativen beim Thema Flucht und Asyl bestens als wahrhaft konservative Kraft profilieren können - wenn man Konservativismus so versteht, wie es CDU und CSU bis Beginn der 2000er Jahre getan haben. Die CDU ist, zumindest in der Parteispitze, in ihrer Haltung gegenüber Asylbewerbern weit in die Mitte gerückt: Angela Merkels Entschluss zur Grenzöffnung für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge Anfang September ist das eklatanteste Symbol für diese historische Wende. Bei anderen Themen, etwa beim Zuwanderungsgesetz, sind die Christdemokraten längst nach links getrippelt. Dass die CSU diese Schritte nicht mitmacht, hilft letztlich der gesamten Union. Denn die CSU-Traditionalisten halten außerhalb Bayerns manchen sehr konservativen CDU-Sympathisanten davon ab, auf dem Wahlzettel die AfD anzukreuzen. Politisch gesehen hat die Flüchtlingsproblematik für die CSU einen angenehmen Nebeneffekt: Sie stellt unangenehme Themen in den Schatten. Die historischen Ereignissen des vergangenen Sommers und der schwelende Konflikt um Abschottung und Obergrenzen hat viele Wähler vergessen lassen, dass im Jahr 2015 zwei Lieblingsprojekte der Christsozialen peinlich gescheitert sind. Die Pkw-Maut für Ausländer - das Thema, mit dem die CSU im Wahlkampf 2013 ihre Anhänger elektrisierte - wird in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich nicht mehr umgesetzt. Und dass der Europäische Gerichtshof sogar das Todesurteil für das Projekt verkündet, ist nach wie vor gut möglich. Und auch das Ende des von der CSU heiß geliebten Betreuungsgelds auf Bundesebene ist - trotz aller anderslautenden Beteuerungen - eine politische Niederlage. Klar, das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Idee des Betreuungsgelds an sich verworfen - sondern nur festgestellt, dass der Bund dafür nicht zuständig ist. Aber genau deshalb ist umso fragwürdiger, warum besonders auf Bestreben der CSU Ministerialbeamte und Parlamentarier so viel Arbeit in ein Gesetz gesteckt haben, das es so nie hätte geben dürfen. Zwei Niederlagen in einem Jahr also. Doch - der Flüchtlingskrise sei Dank - kaum jemanden interessiert es. Dass die CSU von der Massenflucht nach Deutschland politisch profitiert, kann man der Partei nicht vorwerfen. Fragwürdig bleibt allerdings der Tonfall, mit dem sie es tut - gerade vor der Klausur in Kreuth. Im vergangenen Jahr waren es rhetorische Pfeile gegen Asylmissbrauch und Wirtschaftsflüchtlinge, heuer sind es Appelle zur Abschottung: Immer schwingt die Botschaft an den Wähler mit, wenn man nur Obergrenzen verkünde, notfalls die nationalen Grenzen schließe und die Lebensbedingungen für Flüchtlinge weiter verschlechtere, könne man das Problem der Flucht vor Elend und Gewalt ins reiche Deutschland lösen. Eine Botschaft, die schwer verträglich mit jenen christlichen Werten scheint, deren Achtung die CSU von den Flüchtlingen selbst so vehement einfordert.

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