Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Wolbergs/SPD: Spende mit Folgen von Ernst Waller
Regensburg (ots)
Eine boomende und reiche Stadt, ein bei den Bürgern sehr beliebter Oberbürgermeister, tolle Umfragewerte, Hoffnungsträger der Bayern SPD: Der Politiker Joachim Wolbergs stand auf der Sonnenseite seines politischen Lebens. Bis zum Montag. Sieben Staatsanwälte und 69 Kripobeamte durchsuchten Rathausbüro und Privaträume des OB. Auch bei drei Regensburger Immobilienfirmen und in Privatwohnungen wurden Akten beschlagnahmt. Der OB soll laut Staatsanwaltschaft seit 2013 insgesamt mehr als 500 000 Euro an Spendengeldern für den SPD-Ortsverein Stadtsüden als dessen Vorsitzender erhalten haben. Die hohen Spenden sind angeblich in Beträge unter 10 000 Euro gestückelt worden, um die Veröffentlichung der Spendernamen und die Höhe zu umgehen. So formuliert die Staatsanwaltschaft ihren "Anfangsverdacht gegen den Oberbürgermeister". Die Fragen, die dahinterstecken: Hat der OB Geld angenommen, um im Gegenzug Bauträgern entgegenzukommen, beispielsweise bei der Vergabe von Grundstücken? Oder anders formuliert: Ist Wolbergs käuflich? Nein, sagt Joachim Wolbergs glasklar: "Der Oberbürgermeister der Stadt Regensburg ist nicht käuflich." Für den Politiker Wolbergs gilt wie für jeden anderen Menschen auch die Unschuldsvermutung. Vorverurteilungen darf es nicht geben. Die Affäre hat viele Facetten; sie wird nicht ohne Nachwirkungen bleiben für den OB, für die SPD in Regensburg und in Bayern und auch für die Stadt. Der Regensburger Oberbürgermeister ist einer der Hoffnungsträger der bayerischen SPD und die Partei hat davon nicht allzu viele. Da schmerzt ihn und die Genossen der Fall besonders. Denn auch wenn Wolbergs mit weißer Weste aus den Ermittlungen geht, bleibt ein Makel. Spenden an Parteien sind nicht verwerflich, ganz im Gegenteil: Sie tragen zu einer funktionierenden Parteienlandschaft und damit zur Demokratie bei. Aber mehr als 500 000 Euro Zuwendungen allein aus der Immobilienbranche in einer boomenden Stadt, in der an allen Ecken und Enden gebaut wird: Ist der OB allen Ernstes davon ausgegangen, dass das nicht irgendwann bohrende Fragen aufwerfen muss? Noch dazu, da sich in dieser Stadt hartnäckig Gerüchte über Mauscheleien bei Baugeschäften halten. Das heißt nicht, dass an den Gerüchten und dem Verdacht der Staatsanwaltschaft etwas dran sein muss. Fest steht in jedem Fall: Wolbergs hat Sensibilität in einem extrem sensiblen Umfeld vermissen lassen. Die SPD Regensburg ist in eine Art Schockstarre gefallen. Erstaunlich: Kein Funktionär vom Stadtverband hat Einblick in irgendetwas. Mehr als eine halbe Million Euro an Spenden für einen aufwendigen OB-Wahlkampf? Hat da keiner mal nachgefragt, woher das Geld eigentlich kommt? Die SPD Regensburg, die derzeit so gut aufgestellt scheint wie seit vielen Jahren nicht mehr, wird an der Affäre noch lange zu knabbern haben. Auch die Stadt wird nicht ohne Schrammen aus der Sache herauskommen. So manches Bauprojekt wird künftig zu Unrecht kritisch beäugt werden und auch die Bauträger, die mit dem Fall nichts zu tun haben, werden sich fragen: Wie sieht es mit der Rechtssicherheit im Rathaus aus? Vorurteile an den Stammtischen sind schnell gefällt. "Die Politik" ist ohnehin zum Sündenbock für alles Mögliche geworden, man traut ihr alles zu, Mauscheleien ohnehin. Kein Wunder, wenn Parteien vom rechten Rand Zulauf erhalten. Die Fragen, die im Zuge der Ermittlungen aufgeworfen werden, reichen über die Grenzen der Stadt hinaus. Und Vertrauen, das einmal zerstört wurde, braucht lange, um wiederhergestellt zu werden.
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