Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu "Niederlande"
Regensburg (ots)
Am Tag nach der Wahl in den Niederlanden atmet Europa auf. "Danke Holland" - so titelte die Bild-Zeitung und das twitterte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). Der Grund: Es wird keinen "Dutch Donald" geben, der Trump-Effekt blieb in Holland aus. Geert Wilders, der Mann mit der Mozart-Frisur, wird nicht mitregieren. 13 Parteien haben es neben Wilders und seiner PVV in die Tweede Kamer (Zweite Kammer) geschafft. Und alle lehnen eine Zusammenarbeit mit dem Rechtspopulisten ab. Ein Sieg der Vernunft sieht aber anders aus. Das Votum der Niederlande sendet mehr eine Mahnung als eine Botschaft an den Rest Europas - vor allem an diejenigen, denen eine Wahl in diesem Jahr noch bevorsteht. In Frankreich stehen Ende April die Präsidentschaftswahlen an; in Deutschland wird im September ein neuer Bundestag gewählt. Und wie in den Niederlanden droht in beiden Ländern, dass Rechtspopulisten beachtliche Wahlerfolge erzielen. In Frankreich hat Marine Le Pen, eine überzeugte Rechtsextremistin, tatsächlich gute Aussichten auf das Präsidentenamt. Hoffnung, dass das nicht passieren wird, nähren nun die Niederländer: Doch das Wahlergebnis ist kein Grund aufzuatmen. Wilders' Partei für die Freiheit (PVV ) zieht immer noch mit 20 Sitzen als zweitstärkste Kraft ins Parlament, und die Bürger entschieden sich insgesamt mehrheitlich für Parteien, die wegen Wilders deutlich nach rechts gerückt sind, während die bisher mitregierenden Sozialdemokraten von 25 auf sechs Prozent abgestürzt sind. Verloren hat der PVV-Kandidat damit nicht. Im Gegenteil: Er bestimmte die politische Agenda im Wahlkampf - und diese wird nun wenigstens teilweise die kommende Regierung prägen. Diese Wahl war eine Ohrfeige für die regierenden etablierten Parteien. Umso schizophrener wirkt es, dass Europa die bloße Tatsache bejubelt, dass eine menschenverachtende Partei nicht gewonnen hat. Dass es überhaupt so weit gekommen ist, dass ein Rattenfänger, der "Abschaum" (so nennt Wilders Marokkaner) deportieren und aus der Europäischen Union austreten will, die Umfragen anführt, ist schon Demütigung genug gewesen. Und nun soll sich Europa darüber freuen, weil Wilders' Partei "nur" drei Prozent zugelegt hat? Weil man gerade so mit dem Schrecken davongekommen ist? Sicher nicht. Aber all das zeigt die Nervosität, die überall in Europa die Runde macht. Zwar hat die rechtsliberale VVD von Ministerpräsident Mark Rutte die Wahl gewonnen, zur Wahrheit gehört aber auch: Sie gehört auch zu den größten Verlierern. Da mag Rutte noch so viel Härte beweisen, türkische Spitzenpolitiker ausweisen und zur Grenze eskortieren lassen. Ohne einen Geert Wilders im Umfragehoch wäre der niederländisch-türkische Konflikt sicher nicht so eskaliert. Und das Regieren wird mit einem 14 Parteien zählenden Parlament sicher nicht einfacher. Neue Parolen aus der rechten Ecke sind damit garantiert. Wilders versprach dem Wahlsieger noch in der Nacht: "Herr Rutte ist mich nicht los!" Der Rechtspopulismus ist mit dieser Wahl also nicht besiegt. Wie man mit seinen Vertretern aber umgehen muss, haben die GroenLinks, die niederländischen Grünen, um Jesse Klaver bewiesen. Sie vervierfachten ihr Ergebnis mit der Vision einer Gesellschaft, die verbindet - anstelle von Parolen, die spalten. Nicht nur das macht Hoffnung: Auch von Politikverdrossenheit kann man bei 81 Prozent Wahlbeteiligung nicht sprechen. Wer Populisten also verhindern will, geht an die Urne. Dann bleibt zu hoffen, dass das Superwahljahr 2017 vielleicht doch noch den Anfang vom Ende der Rechtspopulisten markiert.
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