Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur "Olympia-Doppelvergabe":
Regensburg (ots)
Für die Schurkenrolle auf der globalen Bühne des Sports ist eigentlich seit Jahren der Fußball-Weltverband Fifa fest gebucht. Mit einigem Recht und dank eigenen Zutuns, wie wir seit einer abenteuerlichen Serie von Skandalen wissen. Doch auch im Kosmos der fünf Ringe, im Internationalen Olympischen Komittee (IOC), zählten Korruption, Durchstechereien, organisierter Sportbetrug und ähnlich unappetitliche Dinge zum üblichen Geschäftsverlauf. Eben erst wieder wühlen sich Ermittler durch Akten zur höchst dubiosen Vergabe der Sommerspiele 2016 an Rio de Janeiro. Der Weg, den die IOC-Granden nun bei der Vollversammlung in Perus Hauptstadt Lima geebnet haben, dient der einst ruhmreichen olympischen Bewegung als Notausgang. Die Doppelvergabe der Spiele 2024 und '28 an Paris bzw. Los Angeles war der einzig logische Schritt. Ihn als kluge Entscheidung zu preisen, wäre indes komplett verfehlt. Er war von der prekären Lage diktiert, in die sich die Olympier in ihrer grenzenlosen Vermessenheit selbst manövriert haben. Der Doppelvergabe haftet das Etikett "Nummer sicher" an. Paris und L.A. waren mithin alternativlos. Sie bieten aus heutiger Sicht ideale Bedingungen, um der olympischen Idee den dringend benötigten neuen Schwung zu geben. Zugegeben: Im Fall des IOC gesellten sich zum internen Ungeschick jede Menge externe und damit schwer beeinflussbare Faktoren. Dass Russland und speziell Präsident Wladimir Putin angesichts des Ukraine-Konflikts die Winterspiele 2014 in Sotschi als Propagandabühne missbrauchen würden, war bei der Vergabe so nicht abzusehen. Als Rio den Zuschlag für 2016 erhielt, galt Brasilien als prosperierendes, politisch relativ stabiles Schwellenland. Zum Zeitpunkt der Spiele drohte das Land dann im Sumpf unzähliger Skandale zu versinken, ökonomisch ächzte es unter dem Preisverfall auf den Ölmärkten und den Folgelasten der Fußball-WM zwei Jahre zuvor. Momentan blickt die Welt gebannt auf die koreanische Halbinsel, doch nicht wegen der Winterspiele im Februar in Pyeongchang. Was als leicht durchschaubare Geste der Dankbarkeit gegenüber dem IOC-Großsponsor Samsung gedacht war, beschert dem Sport Spiele auf einem politischen Pulverfass. Freilich sind dies alles Geister, die das IOC selbst rief. Es hat sein Premiumprodukt Olympia im Sinne steter Gewinnmaximierung so grotesk aufgeblasen, dass es nur mehr ein exklusiver Kreis an Ländern und Städten zu stemmen vermag. In demokratisch verfassten Staaten leiden die Spiele zudem an einem gravierenden Akzeptanzproblem in der Bevölkerung. Das Projekt München 2022 wäre angesichts der verbliebenen Konkurrenz durch Peking und Almaty wahrscheinlich ein Selbstläufer gewesen. Doch die Menschen winkten mehrheitlich ab - wie zuvor schon in traditionellen Wintersportorten wie Oslo. Der - zumal im eigenen Land - arg gescholtene IOC-Chef Thomas Bach hat die Zeichen der Zeit erkannt. Es ist sein Verdienst, dem IOC mit der durchaus ambitionierten Agenda 2020 eine Veränderung aufzuzwingen. Mehr Nachhaltigkeit, weniger Kosten, mehr Transparenz, weniger Gigantismus - das alles weist zweifelsohne in die richtige Richtung. Allein: Bach hat ein sehr dickes Brett zu bohren, er muss taktieren, Verbündete finden. Die Beharrungskräfte im IOC sind gewaltig, wenigstens darin ähnelt es anderen Großorganisationen. Ein Problem wird auch Thomas Bach nicht aus der Welt schaffen können. Dem Honoratiorenklub IOC gebricht es an demokratischer Legitimation. Dass die obersten Olympier dereinst ihre Selbstentmachtung betreiben, ist indes so schwer vorstellbar wie Olympische Spiele ohne Doping.
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