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Mittelbayerische Zeitung: Misstrauens-Förderalismus. Dringend benötigtes Geld für die Digitalausstattung der Schulen droht im Zuständigkeits-Streit zwischen Bund und Ländern auf der Strecke zu bleiben. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Der Föderalismus ist an sich eine gute Sache. Die Bundesländer entscheiden und finanzieren diejenigen Angelegenheiten, für die sie zuständig sind. Ganz oben stehen dabei Bildung und Kultur, in die sich der Bund eigentlich nicht einmischen darf. Der Bund wiederum kümmert sich um seine Zuständigkeiten, völlig unstrittig sind dabei die Außen- oder die Verteidigungspolitik. Soweit die Theorie. In der politischen Praxis jedoch ist auch der Föderalismus ein lebendiges, ein atmendes System. Nichts ist dabei in Stein gemeißelt, nichts völlig unveränderlich. Das Leben verlangt tausend Kompromisse, Problemlösungen, die in keinem Lehrbuch stehen, sondern von den politischen Akteuren vernünftig ausgehandelt werden müssen. Die Grundsätze des Föderalismus jedoch, die mit dazu beitrugen, dass die Bundesrepublik sieben Jahrzehnte stark und erfolgreich war, sollte man nie einfach über Bord werfen. Auch jetzt nicht. Das Signal, das vom aktuellen Grundsatzstreit zwischen Bund und Ländern ausgeht, ist allerdings verheerend. Dringend benötigtes Geld für eine ordentliche Digitalausstattung der Schulen droht im Zuständigkeits-Gerangel auf der Strecke zu bleiben. Dabei ist die Gefechtslage verwirrend: die Bundesländer wittern einen verkappten Angriff des Bundes auf ihre Bildungshoheit, gewissermaßen durch die Hintertür über die Kofinanzierungs-Klausel. Ganz vorn in der Front der Kritiker steht dabei der grüne baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann, der den "Frontalangriff auf die föderale Ordnung" und die "Verzwergung" der Länder durch den Bund an die Wand malt. Beides ist natürlich Unsinn. Aber solche Worte reichen aus, um das Verhältnis zu vergiften und - schlimmer noch - in der Öffentlichkeit das Bild zu erzeugen, die Etablierten da oben können es nicht. Andererseits gibt es aufseiten des Bundes, vor allem der Haushälter des Bundestages, eine Art Misstrauens-Föderalismus. Man unterstellt, dass die Länder, viele Euro aus dem Topf des Bundeshaushaltes mit den sprichwörtlichen "klebrigen Fingern" anfassten, also dafür verwendeten, wofür sie eigentlich nicht bestimmt waren. Auch das ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, eine unzulässige Schwarz-Malerei. Wenn der Bund den Ländern nicht mehr trauen kann und die Länder umgekehrt dem Bund jede Boshaftigkeit zutrauen, dann untergräbt dies in schlimmer Weise das Fundament unserer demokratisch-föderalen Ordnung. Den Menschen freilich, die es betrifft - beim Digitalpakt Millionen Schüler, Lehrer, Eltern - ist es völlig egal, wer letztlich dafür Verantwortung trägt, warum bei der vernünftigen digitalen Ausstattung der Schulen nicht Gas gegeben, sondern gebremst wird. Während andere Länder das betuliche Deutschland digital immer weiter abhängen, liefern sich Bund und Länder einen quälenden Streit um Zuständigkeiten und Grundgesetzliches. Dabei hätte man den ausverhandelten Digitalpakt einfach auf den Weg bringen können, und zwar ohne Grundgesetzänderung. Beim Gute-Kita-Gesetz der rührigen SPD-Familienministerin Franziska Giffey hat es doch auch geklappt. Man muss es nur wollen - und sich über den Weg trauen. Dabei wären finanziell gut aufgestellte Länder wie der Freistaat Bayern durchaus in der Lage, die eigenen Schulen auf die digitale Zukunft einzustellen. Es wird ja bereits viel getan. Es gibt mutmachende Modellprojekte, aber hier und da auch Bremsklötze. Genauso wichtig wie ausreichend Geld für den digitalen Wandel an den Schulen, für ein leistungsfähiges Internet, PCs und Tablets sind engagierte, gut ausgebildete Lehrer. Ihr Vorteil ist, dass sie die Kinder und Jugendlichen nicht erst für die neue digitale Welt begeistern müssen. Das sind die nämlich längst.

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