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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Schlimmer Verdacht" von Reinhold Zweigler zu rechtsextremen Vorfällen in der hessischen Polizei

Regensburg (ots)

Als Vergeltung schlachten wir deine Tochter - eine solch brutale Drohung ist selbst in der kruden Welt von hartgesottenen Rechtsextremisten nicht an der Tagesordnung. Doch hinter dieser unverhohlenen Morddrohung gegen das Kind einer deutsch-türkischen Anwältin sollen nicht durchgeknallte und gewalttätige Neonazis, sondern Polizisten stecken. Das ist ein schlimmer, ein ungeheuerlicher Verdacht. Ausgerechnet eine Handvoll von Hütern der öffentlichen Ordnung und Sicherheit soll sich dermaßen menschenverachtend und mordlüstern geäußert haben. Es sträubt sich einem die Feder. Adressiert wurden diese Hassnachrichten an eine Anwältin, die nichts anderes getan hat, als Mandanten vor Gericht zu vertreten. In einem Fall Nebenkläger im spektakulären NSU-Prozess, in einem anderen einen Ex-Fahrer des Terroristen Osama bin Laden. Das rechtsextreme NSU-Mordtrio konnte übrigens auch deshalb so lange unerkannt Menschen umbringen, weil die Ermittler einen extremistischen Hintergrund jahrelang ausgeschlossen hatten. Die einzige Konsequenz, die aus den jetzigen Vorwürfen in Hessen zu ziehen ist, klingt banal, ist aber gleichwohl richtig: Die rechtsextremen Vorfälle bei der Frankfurter Polizei müssen rasch und lückenlos aufgeklärt werden. Sollten sich die Vorwürfe gegen mehrere hessische Polizeibeamte bewahrheiten und vor Gericht Bestand haben, müssen die Verantwortlichen für die rechtsextremen, zutiefst menschenverachtenden Botschaften hart bestraft und selbstverständlich aus dem Polizeidienst entfernt werden. Wer dermaßen gegen Recht und Gesetz, gegen die Würde von Menschen verstößt, hat in den Reihen der Polizei nichts zu suchen. Es handelt sich bei den Drohungen sowie den Nazi-E-Mails auch nicht um einen verzeihlichen Ausrutscher, sondern um eine gemeine Bedrohung des Lebens von Menschen sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Ob es sich bei den Vorkommnissen in Frankfurt/Main und möglicherweise auch noch anderen Dienststellen um "Einzelfälle" handelt, oder ob hier doch Netzwerke agieren, können erst die Ermittlungen zeigen. Keinesfalls jedoch darf aus den jetzt bekannt gewordenen Vorgängen in Hessen ein Generalverdacht gegen sämtliche Polizisten konstruiert werden. Den Tausenden von Ordnungshütern von Bund und Ländern, die jeden Tag ihren Dienst verantwortungsbewusst und mit hohem Einsatz absolvieren, darf die Verfehlung einzelner "schwarzer Schafe" aus ihren Reihen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Es sind übrigens die Polizisten selbst, die sich über die rechtsextremen Verfehlungen von "Kollegen" am meisten aufregen und sich davon distanzieren. Damit die Polizei in Bund und Ländern weiterhin hohes Ansehen genießt, ist es enorm wichtig, dass sie weder auf dem rechten, noch auf dem linken Auge blind sein darf. Vorurteile, Korpsgeist, falsch verstandene Kameradschaft dürfen keinen Platz in den Sicherheitsbehörden haben. Bei der Auswahl und der Ausbildung künftiger Polizisten muss noch mehr Wert auf die verfassungsgemäßen Grundlagen ihres Dienstes und ihrer Haltung gelegt werden. Für die nächsten Jahre wurde ja, zum Glück, ein starker Ausbau bei den Polizeibehörden angekündigt. Überlegenswert ist freilich, ob es nicht auch bei der Polizei von Bund und Ländern Anlaufstellen geben sollte, bei denen Beamte extreme Entwicklungen und Vorfälle vorbringen können, ohne dass sie den zeitraubenden Dienstweg einhalten müssten und ohne dass ihnen daraus Nachteile erwachsen. Das Vorbild dafür ist der Wehrbeauftragte des Bundestages, der als Mann des Parlaments in der Bundeswehr allerdings auf einer anderen Ebene agiert. Die rechtsextremen Vorfälle in Hessen, aber auch anderen Länderpolizeibehörden, könnten Anlass sein, darüber einmal ernsthaft nachzudenken.

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