Mittelbayerische Zeitung: Das Eigentor der CSU Auf die harte Asylpolitik der vergangenen Jahre folgt jetzt eine höchstrichterliche Quittung - und das zu Recht. Von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
Humanität und Ordnung postuliert die CSU stets als harmonischen "Zweiklang" ihrer eigenen Asylpolitik. Tatsächlich kamen bei der Regierungspartei speziell zum Höhepunkt der Migrationsbewegung in den Jahren 2015 und 2016 viel zu oft sehr schrille Begleittöne hinzu - getrieben von grobem Aktionismus, verstärkt durch notorische Taubheit gegenüber ernstzunehmender Kritik. Für das, was damals schieflief, ist das bayerische Integrationsgesetz das perfekte Beispiel: Ein wichtiges Anliegen - das Einbinden von Menschen aus anderen Kulturkreisen und das Vermitteln demokratischer Werte - wurde in einer Weise umgesetzt, die eher abschreckt als zum Mitmachen animiert. Das Regelwerk schrammt Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und kollidiert mit Bundesgesetzen. Es ist also in hohem Maße selbstverschuldet, dass das Gesetz nun drei Jahre nach Inkrafttreten in wichtigen Teilen vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig eingestuft wurde. Einiges von dem, das die CSU als unverhandelbar deklarierte, ist einkassiert. Das Gesetz ist insgesamt diskreditiert. Die Verantwortung dafür kann sich die CSU selbst zuschreiben: Schon das Gesetzgebungsverfahren 2016 prägte Oberlehrerhaftes zur deutschen Leitkultur. Die CSU nahm dafür sogar den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Pflicht - und weiß jetzt höchstrichterlich, dass das eine ziemlich blöde Idee war. Grundrechte wie die Gleichberechtigung von Frauen sollten unwillige Migranten unter Androhung von Bußgeldern verinnerlichen - als ob sich jemand so einfach per Kommando für demokratische Werte erwärmen lässt. Hoch umstritten auch der "Schwimmbad-Paragraf", der als Regel erscheinen ließ, dass sich Asylbewerber gegenüber Frauen übergriffig verhalten, dabei handelt es sich eher um Einzelfälle. In großen ostbayerischen Schwimmbädern wie dem Regensburger Westbad oder dem Burglengenfelder Bulmare kommt man jedenfalls in diesen Fällen nach eigenem Bekunden gut mit dem schlichten alten Hausrecht klar. Der "Schwimmbad-Paragraf" ist ein Papiertiger, wie überhaupt die größte Groteske ist, dass das Integrationsgesetz de facto in den vergangenen Jahren in seinen am heftigsten diskutierten Teilen im Alltag offenbar nicht angewendet worden ist. Bei den zuständigen Stellen weiß jedenfalls niemand von Bußgeldern für Migranten, die sich der Integration widersetzten oder von finanziellen Rückforderungen an Asylbewerber, die trotz Sprachkursen und Jahren im Land nicht gut genug Deutsch sprechen. Das Integrationsgesetz atmet den Geist von 2016. Das Jahr war geprägt von hohen Flüchtlingszahlen und teils großem Unwillen in Teilen der Bevölkerung. Die CSU war beherrscht vom Ärger über Kanzlerin Angela Merkel, die viele Vorstöße zur Asylpolitik abtropfen ließ. Umso wichtiger wäre gewesen, dass die Partei - damals unter Führung von Ministerpräsident Horst Seehofer - kühlen Kopf behält. Doch sie ließ sich zu unnötiger Schärfe hinreißen. Ein Schaden übrigens auch für die CSU, die damit ihre unbestreitbar existierenden Leistungen in der Integrationspolitik selbst überschattete. Allein im Doppelhaushalt 2019/2020 investiert die Regierungspartei ohne Murren 3,55 Milliarden Euro in den Bereich Zuwanderung und Integration. Geld, das für die Versorgung und die Eingliederung von Flüchtlingen ausgegeben wird. Es sollte stärker über die Erfolge dieser Arbeit gesprochen werden - gern übrigens auch grundsätzlich und ohne erhobenen Zeigefinger über Leitkultur: Welche Werte sollten Migranten mit uns teilen - und wie sehr fühlen wir uns selbst diesen Werten verpflichtet, wenn es einmal unbequemer wird? Der CSU hätte eine entsprechende Selbsterforschung höchstwahrscheinlich die Schlappe vor dem Verfassungsgerichtshof erspart.
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