Trump rüstet rhetorisch ab
Der US-Präsident unterlässt martialische Drohungen gegen den Iran. Auch Teheran will keinen offenen Krieg riskieren. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Dass der amerikanische Präsident wenige Stunden nach dem iranischen Raketenangriff auf US-Militärstützpunkte im Irak fast schon eine Art Friedensbotschaft an Teheran richtete, gehört offenbar zu den seltsamen Wendungen in diesem weiterhin brandgefährlichen Konflikt im Mittleren Osten. Als erste Reaktion auf den Vergeltungsschlag hatte Donald Trump gar getwittert, alles sei gut. Statt harter Worte an die Adresse des Mullah-Regimes beschwor er gestern nun eine Zukunft in Harmonie mit dem Iran. Die USA seien bereit, Frieden zu stiften, versichert der Chef des Weißen Hauses. Man reibt sich verwundert die Augen. Doch Trump ist offenbar darum bemüht, die Eskalationsschraube zurückzudrehen. Aller martialischer Rhetorik beider Seiten in den vergangenen Tagen zum Trotz wollen weder Washington noch Teheran einen offenen Krieg. Auch wenn es der Logik zu widersprechen scheint, können die Raketenangriffe als ein Instrument der Deeskalation, der Mäßigung verstanden werden. Dafür spricht, dass wohl keine Opfer der Angriffe zu beklagen sind. Teheran hatte, bevor die Raketen abgefeuert wurden, die Gegenseite im Irak über verschiedene Kanäle informiert, so dass man sich darauf einstellen konnte. Auch die im Irak eingesetzten Bundeswehrsoldaten blieben so unverletzt. Ein solches Vorgehen ist ziemlich ungewöhnlich. Es zeigt vor allem, dass der Iran zwar auf die Tötung des Generals Soleimani durch eine US-Drohne mit Vergeltung reagiert, es gleichwohl aber nicht zum Äußersten kommen lassen will. Das war aus der Sicht Teherans gewissermaßen eine Vergeltung mit Augenmaß . Doch gut ist deshalb noch lange nichts in der Krisenregion des Mittleren Ostens. Die Lage bleibt äußerst brisant und zugleich verworren und unübersichtlich. Seit der Tötung von General Soleimani - der beileibe kein Friedensengel war und dem viele terroristische Aktionen zur Last gelegt werden - über dem Iran scheint ohnehin ein Unglück nach dem anderen hereinzubrechen. Von der Massenpanik bei der Beerdigung des Generals mit zahlreichen Toten, einem Erdbeben bis zum Absturz eines ukrainischen Flugzeugs in der Nähe der iranischen Hauptstadt. Noch gibt es zur Ursache für das Flugzeugunglück, bei dem offenbar alle Passagiere und Besatzungsmitglieder starben, nur Spekulationen. Allerdings drängen sich Parallelen auf zum Absturz des Fluges MH17 vom Juli 2014 über der Ostukraine, bei dem fast 300 Menschen den Tod fanden. Ob im aktuellen Fall "nur" ein technischer Defekt der Grund für die Katastrophe war oder die Maschine von einer Rakete getroffen wurde, müssen die weiteren Untersuchungen zeigen. Trump wiederum hat gestern eine Art Doppelstrategie in seiner Iranpolitik verkündet. Einerseits geißelte er den mühsam ausgehandelten Atom-Deal mit Teheran als völlig unzureichend, weshalb er aus dem Abkommen ausgestiegen sei. Er forderte die westlichen Verbündeten erneut auf, von dem Vertrag zurückzutreten. All das war nicht neu. Andererseits lies dagegen aufmerken, wie der US-Präsident die Nato-Partner in die Pflicht nahm, sich weit stärker in der Krisenregion am Golf zu engagieren. Trumps Forderung dürfte von Berlin, Paris bis London keine Beifallsstürme auslösen. Richtigerweise wurden jedoch zahlreiche der eingesetzten Bundeswehrsoldaten aus dem Irak abgezogen. Ihr Einsatz, vor allem zur Luftaufklärung sowie zur Ausbildung irakischer Soldaten - und damit zur Stabilisierung des Landes - sollte dennoch weitergehen. Interessant übrigens auch, was Trump nicht sagte: Die lange Zeit von Washington erhobene Forderung nach einem Regimewechsel im Iran erwähnte er mit keiner Silbe.
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