Von AfD-Gnaden
Kommentar zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen
Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Von Thüringen ging am Mittwoch ein politisches Beben aus, dessen Schockwellen wie ein Tsunami die gesamte Republik treffen dürften. Der über den kleinen Freistaat hinaus weithin unbekannte FDP-Mann Thomas Kemmerich hat sich mit den Stimmen der rechtspopulistischen AfD zum Regierungschef wählen lassen. Das war ein Tabubruch, der bislang von der FDP-Spitze in Berlin für völlig unmöglich erklärt wurde. Ebenso haben die Unionsparteien gebetsmühlenartig jedwede Zusammenarbeit mit der Partei der Galionsfigur des ultranationalistischen AfD-Flügels, Björn Höcke, von sich gewiesen. Nun haben Liberale und Christdemokraten aber doch mit der AfD gemeinsame Sache gemacht. Um die Staatskanzlei zu entern, hat sich die FDP in Thüringen, die nur mit Ach und Krach überhaupt ins Parlament eingezogen war, der rechtspopulistischen Steigbügelhalter bedient. Kemmerich ist ein Ministerpräsident von AfD-Gnaden. Wenn aber FDP und CDU in einem Bundesland in einer äußerst wichtigen Abstimmung mit der AfD votieren, dann wird das auch die Bundespolitik, vor allem die fragile GroKo in Berlin, gewaltig durchrütteln. Erfurt könnte deren vorzeitiges Ende beschleunigen. Mit der gestrigen Wahl ist nicht nur das - ziemlich fragwürdige - rot-rot-grüne Minderheiten-Experiment des Ex-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow gescheitert, sondern es ist zugleich einem Schritt zur Unregierbarkeit und womöglich gar zur Radikalisierung Thüringens Vorschub geleistet worden. Die gestrigen Tumulte im Landtag gaben jedenfalls einen Vorgeschmack auf das, was dem Land noch drohen könnte - eine noch tiefere politische Spaltung. Und wer an einen einmaligen Vorgang, gewissermaßen einen Betriebsunfall, glaubte, der wurde gleich bei der ersten Abstimmung des Parlaments nach der Wahl eines Schlechteren belehrt. In trauter Eintracht stimmten AfD, Christdemokraten und Liberale für ein Ende der Sitzung. Sollte Kemmerich keine handlungsfähige Regierung zustande bekommen, wären baldige Neuwahlen der einzig vernünftige Ausweg.
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