Keiner plant Corona-Impfpflicht/Die Sorge vor einem Impfzwang ist unbegründet und absurd. Ein Wirkstoff wird am Anfang so knapp sein, dass es Warteschlangen gibt. Leitartikel von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
Kaum rückt ein Corona-Impfstoff in offenbar größere Reichweite, wächst die Angst der Impfgegner vor einer Impfpflicht. Doch keine Bange: Weder die Bundesregierung noch das Kabinett in München planen, Bürgern zwangsweise Impfdosen zu injizieren. Wer anderes glaubt, hat sich in Verschwörungstheorien verheddert. Die Politik wirbt zwar eindringlich fürs Impfen, mehr aber nicht. Ein Zwang wäre ohnehin rechtlich höchst fragwürdig. Die Impfpflicht wäre praktisch auch nicht durchsetzbar. Sie wäre allein deshalb absurd, weil ein potenzieller Wirkstoff in den ersten Monaten nach der Zulassung weltweit sehr knapp sein wird. Das Kernproblem wird also vielmehr sein: Wie lässt sich die Mangelware dann gerecht auf diejenigen verteilen, die den Schutz vor Corona am Nötigsten haben? Auch wenn die Engpässe einmal beseitigt sind, ist für Impfverweigerer keine Gefahr im Verzug. Zwar sollten sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung impfen lassen, damit sich die so genannte Herdenimmunität einstellt und das Virus sich verdammt schwer tut, bei einem potenziellen Wirt anzudocken. Doch 60 bis 70 Prozent sind mit und ohne Impfskeptiker zu erreichen. Es braucht keine prophetischen Gaben, um zu wissen: Die Bereitschaft zum Impfen wird grundsätzlich sehr groß sein. Zuallererst bei denen, die keine Chance haben, dem Covid-19-Risiko in ihrem Arbeitsalltag auszuweichen: Das reicht von Ärzten, Krankenschwestern und Altenpflegern bis hin zu Verkäuferinnen an Ladentheken, Kassiererinnen in Supermärkten oder Busfahrern - alles Menschen aus Berufsgruppen, die keine Chance haben, in ein sicheres Homeoffice auszuweichen. Auch Risikopatienten, die bei einer Corona-Infektion ein deutlich höheres Sterberisiko haben, setzen große Hoffnung in einen baldigen Impfstoff. Nicht zu vergessen das Heer von Menschen, das sich nach nun bald acht Monaten mit Corona-Einschränkungen schlicht nach einem normalen Leben sehnt. Aussagekräftiges Indiz sind auch die aktuellen Umfragen. Die überwiegende Mehrheit unterstützt uneingeschränkt den bisherigen staatlichen Corona-Kurs und ist offen für weitere Schutzmaßnahmen. Impfgegner können sich bis zu ihrer endgültigen Entscheidung also jede Zeit der Welt lassen und sich nach einem etwaigen Umdenken in die Warteschlangen der Freiwilligen einreihen. Die Politik entbindet das nicht von der Verantwortung zu sachlicher Überzeugungsarbeit, sobald ein Wirkstoff auf dem Markt ist. Auch Impfbereite brauchen alle Fakten - dazu zählt das Nennen unbestreitbarer Restrisiken. Denkbar sind Nebenwirkungen, die so selten auftreten, dass sie bei der mehrstufigen, strengen Erprobung vor der Zulassung des Impfstoffs noch nicht erkennbar waren und erst danach bei einer sehr großen Zahl von Impfungen in Erscheinung treten. Wichtig wird auch eine Antwort auf die Frage sein, welcher Impfstoff der geeignetste ist, da im nächsten Jahr weltweit wohl mehrere Varianten zugelassen werden könnten. Am Ende wird jeder Bürger für sich abwägen müssen, in welcher Weise er sein persönliches Infektionsrisiko am liebsten minimiert. Impfgegnern bleibt diese Denkaufgabe nicht erspart. Wer sogar mit freiwilligen Corona-Impfungen hadert, sollte sich aber klar machen: Ihn quält - vergleichsweise - ein Luxusproblem. In Bayern starben bisher knapp 2700 Menschen an Corona, die nicht die Option hatten, sich vorab zu schützen. Wir leben in einer Welt, in der die wissenschaftliche Expertise so hoch ist, dass wohl in Rekordzeit ein Impfstoff entwickelt werden wird. Wir sind auf einem Kontinent zuhause, in dem die medizinische Versorgung so gut ist, dass vermutlich bald jeder die echte Wahl hat, ob er zusätzliche Vorsorge treffen will. Wer bei seinem Nein zum Impfen bleibt, kann sich am Ende trotzdem sicherer fühlen: Die Herdenimmunität, die durch die Impfbereitschaft der vielen Anderen wächst, schützt auch ihn.
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