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Unpassender Doktorhut Familienministerin Franziska Giffey tritt die Flucht nach vorn an. Viele Menschen dürften aber andere Sorgen haben als die schlampig verfasste Doktorarbeit. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Doktortitel und Politik - das sind nicht in jedem Fall zueinander passende Schuhe. An Karl-Theodor zu Guttenberg oder Annette Schavan erinnert man sich vielleicht noch. Der einstige CSU-Hoffnungsträger und Bundesverteidigungsminister versicherte noch kurz vor seinem Rücktritt, in seiner Dissertationsschrift nicht abgeschrieben zu haben. Und die kluge frühere Bildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan - anders als zu Guttenberg mit Angela Merkel befreundet - konnte sich nicht erinnern, dass sie bei ihrer fast 30 Jahre zuvor verfertigten Doktorarbeit nicht ordnungsgemäß zitiert haben sollte. Auch wenn beide Fälle unterschiedlich schwer wogen, traten beide Unionspolitiker von ihrem Regierungsamt zurück.Beim ersten Fall herrschte im Kanzleramt auch ein wenig Schadenfreude über den tiefen Fall des politischen Gipfelstürmers aus Oberfranken. Im anderen Fall zeigte die Kanzlerin tiefes Bedauern - und versüßte Schavan den Abschied aus der ersten Reihe der Politik mit einem Posten beim Vatikan. Allerdings, schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit von Politikern und politischer Hygiene waren die damaligen Rücktritte folgerichtig - und verdienten allemal Respekt.Um den Doktortitel der aktuellen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey wiederum wird derzeit ein politisches Scharmützel entfacht, dass an die Fälle von zu Guttenberg und Schavan anknüpfen könnte. In der hauptstädtischen CDU sowie in der Bundespartei werden Geschütze in Stellung gebracht, um die bald nach dem Amt der Regierenden Bürgermeisterin strebende SPD-Frau politisch abzuschießen. Dabei liegt das trotzige "Giffey-muss-weg" aus der CDU genauso neben der Spur wie deren schlichter Verzicht auf den Doktortitel. In der Corona-Krise haben die meisten Menschen ohnehin ganz andere Sorgen als die - möglicherweise - schlampig verfasste Doktorarbeit der Familienministerin.Allerdings muss Giffeys Dissertation zum Thema "Europas Weg zu den Bürgern - Die Politik der Europäischen Union zur Beteiligung der Zivilgesellschaft" - nun noch einmal gründlich auf wissenschaftliche Korrektheit hin überprüft werden. Dem ersten Gutachten der Freien Universität Berlin, das Giffey lediglich eine Rüge aussprach, haftet der Makel eines Gefälligkeitsurteils an.Mit ihrem freiwilligen Verzicht auf den Doktortitel versucht die SPD-Hoffnungsträgerin nun einen Befreiungsschlag. Allerdings ist sie damit weder wissenschaftlich und erst recht nicht politisch aus dem Schneider. Im nächsten Jahr werden, aller Voraussicht nach, jedoch die Berliner Wähler und Wählerinnen die Gelegenheit bekommen, über die Politikerin Giffey abzustimmen. Das ist in einer Demokratie nicht die schlechteste Art und Weise, mit einer Verfehlung umzugehen.Angela Merkel hatte zudem ihrem Kabinettsmitglied Giffey recht früh das Vertrauen ausgesprochen, was in anderen Fällen freilich als Vorstufe zum Rauswurf verstanden werden konnte. Doch offenbar will die Kanzlerin derzeit keinerlei Schwanken im Regierungsboot riskieren. Eine wegen der Ministerin verprellte SPD würde das gemeinsame Regieren in der extremen Krise noch weiter erschweren. Und vielleicht würden die Scholz und Co. irgendwann auf so etwas wie Wiedergutmachung pochen. Nach Lage der Dinge im konkreten Fall dürfte Giffeys Karriere ohne Doktortitel - egal ob freiwillig verzichtet oder nach Urteil der Universität erzwungen - noch nicht beendet sein. KT zu Guttenberg, Schavan und andere des Schummelns überführten Politikern wurde eine solch gnädige Behandlung freilich nicht zuteil.

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