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Das Schreckgespenst ist zurück/Die Furcht vor einer dramatischen Inflation steckt den Deutschen in den Knochen. Dabei ist die jetzige Teuerungsrate eher zwangsläufig und noch nicht besorgniserregend.

Berlin (ots)

An der Tankstelle, beim Kauf von Heizöl oder Gas kann einem schon schwindelig werden. Auch die Preise für Lebensmittel und Mieten ziehen teilweise kräftig an. Als ob das Land mit der Bewältigung der Corona-Folgen nicht schon genug gebeutelt wird, schlägt derzeit eine Inflation in lange nicht erlebter Höhe zu und reißt Löcher in die Portemonnaies. Während sich in Berlin die maßgeblichen Parteien um eine Regierungskoalition mühen, schleicht das Schreckgespenst Inflation durchs Land, macht sich Verunsicherung breit.Inflation sei eine unverzeihliche Sünde, meinte der Vater des Wirtschaftswunders und zweite Kanzler der jungen Bundesrepublik, Ludwig Erhard. Da war bei vielen Menschen das persönliche Erleben der Hyper-Inflation von 1923 noch präsent. Der Wertverfall des Papiergeldes war seinerzeit dramatisch. Gelddruckmaschinen liefen rund um die Uhr. Ein Frühstücksei bekam man auf dem Höhepunkt der Inflation für die gigantische Summe von 32 Milliarden Reichsmark.Der durch Anleihen beim eigenen Volk finanzierte 1. Weltkrieg und die nach der Niederlage von den Siegermächten geforderten Reparationen stürzten das Währungssystem in den Abgrund. Erst mit der Einführung der Rentenmark, die durch Grundschulden gedeckt war, konnte die Hyperinflation gestoppt werden.Die Furcht vor einer dramatischen Geldentwertung steckt den Deutschen seit dieser Zeit in den Knochen. Sie ist Teil unseres nationalen Bewusstseins. Und der politische und soziale Sprengstoff, den eine ausufernde, dramatische Teuerung in sich birgt, ist enorm. Dabei ist eine Inflation in ihren Auswirkungen auf die Menschen durchaus unterschiedlich. Sie trifft vor allem untere und mittlere Einkommensschichten. Wer dagegen Immobilien oder Aktien, die vom Preisauftrieb profitieren, oder wertstabiles Gold besitzt, wird nicht gleichermaßen gebeutelt. Im Gegenteil.Die Frage, ob der derzeitige Preisanstieg von knapp über vier Prozent zu Recht Ängste auslösen muss, ist weder mit einem klaren Nein noch mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Während sich bis vor wenigen Monaten Ökonomen und Zentralbanker über eine zu geringe Inflationsrate Sorgen machten, erleben wir derzeit eine nachholende Entwicklung, ein wahrscheinlich vorübergehendes Phänomen, das noch nicht allzu besorgniserregend ist. Im globalen Maßstab waren wegen der Pandemie etwa die Rohstoffpreise gesunken oder nur moderat angestiegen. Mit dem Anziehen der Konjunktur steigen jetzt die Nachfrage und damit die Preise, vor allem für Energie, Strom, Gas und Öl, aber auch für Stahl, Holz und Halbleiter. Die Bauwirtschaft und die Automobilbauer können ein trauriges Lied davon singen.In Deutschland wirkt sich zudem preistreibend aus, dass die 2020 gesenkte Mehrwertsteuer seit diesem Jahr wieder in normaler Höhe erhoben wird. Auch der höhere CO2-Preis treibt die Inflation voran. Zugleich aber betrifft die jetzige Teuerung nicht alle Erzeugnisse gleichermaßen. Wer etwa technische Geräte kauft, spürt sie kaum oder gar nicht.Und anders als in den 1920er Jahren und als in den Wirtschaftswunderzeiten wird über die Stabilität unserer Gemeinschaftswährung Euro und die Inflation nicht mehr national, sondern von der - von der Politik relativ unabhängigen - Europäischen Zentralbank gewacht. Die EZB freilich hat mit ihrer lockeren Geldpolitik die Verschuldung der Euro-Staaten extrem erleichtert, was in der Tendenz die Inflation befördert. Das zigmilliardenschwere Corona-Hilfspaket der EU setzte noch eins drauf.Eine künftige Bundesregierung, egal welche Parteien sie stellen, steht damit vor der Herkulesaufgabe, das Wachstum ankurbeln und die Verschuldung abbauen zu müssen, um so die Inflation langfristig im Zaum zu halten. Erhard nannte eine Politik, die Inflation befördert, knallhart "verbrecherisch".

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