IBM-Chef Erwin Staudt: "In der IT-Branche fehlen 200 000 Arbeitskräfte"
Im Interview mit COMPUTER BILD erklärt Staudt das deutsche Bildungssystem für überholungsbedürftig
Hamburg (ots)
Erwin Staudt, der Vorsitzende der Geschäftsführung von IBM-Deutschland, geht nicht von den vielfach zitierten 75 000 fehlenden Arbeitskräften in der IT-Branche aus. Staudt sagte im Interview mit der am Montag (22. Mai) erscheinenden Zeitschrift COMPUTER BILD: "Diese Zahl erhöht sich mindestens um weitere 75 000, wenn man die Anwenderseite in Industrie- und Dienstleistungsbetrieben einrechnet. Das Gesamtpotenzial liegt in der Größenordnung von 200 000 fehlenden Arbeitskräften."
Mit der Green-Card-Regelung der Bundesregierung sei er bislang sehr zufrieden, erklärte Staudt. Allerdings bleiben Zweifel. Der IBM-Chef: "Wenn wir nicht mal die 20 000 geplanten Stellen besetzen könnten, hätten wir in der tat ein Problem. Einige große Projekte würden uns davonlaufen - und ausländische Unternehmen machen das Rennen." Ein möglicher Schaden für die deutsche Computer-Industrie lasse sich nur schwer beziffern. Klar sei aber, dass "wir nicht zu den führenden IT-Nationen gehören. Gegenüber den Amerikanern hängen wir immer drei bis vier Jahre hinterher."
Um den deutschen IT-Nachwuchs zu fördern, fordert Staudt: "Deutschland muss jetzt einen großen Stein in den Bildungssee werfen, damit sich die Wellen schnell in die Arbeitswelt fortsetzen." Das deutsche Bildungssystem sei überholungsbedürftig. Staudt: "Wir müssen die Bildung mit einem ganz gezielten Wissensmanagement an die Möglichkeiten der Technik anpassen." Auch die Lehrer müssten sich den neuen Gegebenheiten stellen. Der IBM-Chef: "Wenn wir den Kindern nur Computer in die Klassenräume stellen - ohne Coaching - dann ist das vergebene Liebesmüh. Wir müssen mit den Ländern übereinkommen, dass wir die Lehrer gezielt für den Unterricht am Computer ausbilden."
Älteren Arbeitslosen, die einen Job in der Informationstechnologie (IT)-Branche suchen, räumt Erwin Staudt schlechte Chancen ein: "Menschen in einer vorgerückten Lebensphase, die unter Umständen schon in ganz anderen Berufsfeldern tätig waren, sind sehr schwer zu vermitteln", sagte der IBM-Chef gegenüber COMPUTER BILD. Angesichts der rund 50 000 arbeitslosen deutschen Ingenieure erklärte Staudt weiter: "Wenn jemand über 50 ist, hat er schlechte Karten. Viele Unternehmer haben einfach Hemmungen, einen 52-Jährigen einzustellen, nicht zuletzt, weil er nach den tariflichen Regeln praktisch unkündbar ist."
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