Greenpeace: Verkehrsministerium spielt mit falschen Karten
EU-Recht
zwingt nicht zur Änderung des Seeunfalluntersuchungsgesetzes
Hamburg (ots)
Entgegen der Behauptung des Bundesverkehrsministeriums ist die Bundesregierung laut EU-Recht nicht gezwungen, das bisherige Seeunfalluntersuchungsgesetz zu ändern. Dies belegt ein Schreiben des Bundesverkehrsministeriums vom 23. 4. 2001 an die EU-Kommission, das Greenpeace vorliegt. Daraus geht hervor, dass bereits im bestehenden "deutschen Recht eine Verfahrensvorschrift zur Verfügung" steht, "die es im Prinzip erlaubt", den Anforderungen des EU-Rechts nachzukommen.
Bislang behauptete das Verkehrsministerium jedoch, das EU-Recht erfordere eine Umgestaltung des Seeunfalluntersuchungsgesetzes und zwar fristgebunden bis um 1.12.2000. Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) war mit seinem Gesetzentwurf zur Neuregelung der staatlichen Seeunfalluntersuchungen vor allem deshalb in die Kritik geraten, weil er plant, Schiffsunfälle auf See künftig nicht mehr öffentlich zu verhandeln.
"Minister Bodewig spielt mit gezinkten Karten. Dass Deutschland keine andere Wahl hat, als den neuen Gesetzesentwurf umzusetzen, ist Quatsch. Das alte Gesetz ist gut und reicht aus", sagt Ingo Bokermann, Meeresschutz-Experte bei Greenpeace. "Es gab und gibt keinen zwingenden Grund, die Medien und die Bevölkerung bei der Verhandlung von Schiffsunfällen vor die Tür zu setzen."
Bodewig begründet den Ausschluss von Journalisten und interessierten Einzelpersonen damit, dass das Medium der Öffentlichkeit unvereinbar sei mit der Unabhängigkeit einer Untersuchungsbehörde. Ingo Bokermann: "Es ist nicht nachvollziehbar, warum diejenigen, die Schiffsunfälle untersuchen, vor der Öffentlichkeit abtauchen sollen. Dabei geht demokratische Kontrolle verloren, wo sie dringend notwendig ist. Was will Bodewig verheimlichen?"
Die Arbeit der Seeämter, die bisher die Untersuchung der Schiffsunfälle durchgeführt haben, soll künftig auf die seltenen Fälle der Patententziehung beschränkt werden. Der neue Gesetzesentwurf sieht vor, dass die mündliche Verhandlung nur dann öffentlich sein soll, wenn kein Beteiligter widerspricht. Damit wird die Öffentlichkeit praktisch zu 100 Prozent ausgeschlossen. Denn Beteiligte, bei denen wegen eines schwerwiegenden nautischen Versagens ein Patententzug droht, werden im Zweifelsfall immer widersprechen. Gerade in solchen Fällen ist aber die Anteilnahme der Fachpresse, von Seefahrtsschulklassen, Ausbildungsschulen der Marine oder der Wasserschutzpolizei sehr groß.
Bokermann: "Das Schiffsunglück der Ostseefähre Estonia hat gezeigt, zu welchem Misstrauen und Verdächtigungen es führen kann, wenn die Öffentlichkeit von solchen Prozessen ausgeschlossen wird. Wir fordern das Bundesverkehrsministerium auf, die Täuschungsmanöver zu unterlassen und den Gesetzesentwurf zu stoppen. Es muss sichergestellt sein, dass die Untersuchung von Seeunfällen auch in Zukunft öffentlich bleibt."
Achtung Redaktionen: Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Ingo Bokermann, Tel. 040-30618-327 bzw. 0170-4447612, oder an Pressesprecherin Carmen Ulmen, Tel. 040-30618-344. Das Schreiben des BMV finden Sie auch im Internet unter: www.greenpeace.de
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