BLOGPOST: Medienlandschaft in Polen: "Unser Markt ist sehr dynamisch"
Polen sorgte im Bezug auf seinen Medienmarkt in den letzten Monaten nicht nur für positive Schlagzeilen. Die nationalkonservative Regierung verabschiedete Anfang 2016 trotz zahlreicher Proteste und internationaler Kritik ein umstrittenes Mediengesetz, das ihr großen Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährt. TREIBSTOFF sprach mit Sabina Nonas, Press Center Director bei der polnischen Nachrichtenagentur PAP über die Medienlandschaft in Polen und wie sie sich verändert.
TREIBSTOFF: Können Sie uns einen kurzen Überblick über die Medienlandschaft in Polen geben?
NONAS: Wir haben einen sehr dynamischen Medienmarkt in Polen, der eng mit der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Landes zusammenhängt. In den letzten Jahren verzeichnen wir einen ständigen Rückgang der Ausgaben im Medienbereich. Einzige Ausnahme sind die Online-Ausgaben von Magazinen und Zeitungen, die einen wachsenden Leserkreis anziehen - etwa 30 Prozent der erwachsenen Polen lesen regelmäßig Artikel im Internet. Die steigende Zahl der Online-Leser schlägt sich in höheren Einnahmen bei Online-Werbung nieder. Auch für Radio- und TV-Sender war es ein gutes Jahr: Durch hohe Werbeausgaben insbesondere von Handel und Pharmaindustrie konnte ein Einnahmenzuwachs von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielt werden.
TREIBSTOFF: Die polnische Regierung hat ein umstrittenes Mediengesetz in Kraft gesetzt, das der Regierung mehr Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährt. Wie wirken sich diese aktuellen politischen Entwicklungen auf den Medienmarkt Polen aus?
NONAS: Die aktuelle Situation der öffentlich-rechtlichen Medien - dem Polnischen Fernsehen (Telewizja Polska) und dem Polnischen Rundfunk (Polskie Radio) - sowie der Nachrichtenagentur PAP hat Bedeutung für den gesamten Medienmarkt. Die Pläne für ein neues Gesetz zu öffentlichen Medien und zur Einführung einer neuen "audiovisuellen Gebühr" werden im Markt scharf beobachtet, da dies die Faktoren sind, die sich auf die Einschaltquoten der Sender und die Höhe der Marktpreise auswirken können.
TREIBSTOFF: Welche Rolle spielen Internet, Smartphones und mobile Anwendungen in Ihrem Land?
NONAS: In Polen wird das Internet regelmäßig von 64 Prozent der erwachsenen Bevölkerung genutzt. Spitzenreiter ist Google, gefolgt von Facebook und YouTube. Die erste Nachrichtenwebsite, die es auf die Liste der beliebtesten Seiten in Polen geschafft hat, ist das Webportal Wirtualna Polska (gefolgt von Onet.pl und Gazeta.pl).Der Umstieg von traditionellen Medien auf das Internet gewinnt an Dynamik. Polnische Internetnutzer haben sich schnell darauf eingestellt, Inhalte mobil abzurufen. Angesichts der wachsenden Beliebtheit von Tablets und Smartphones, des besseren Angebots an ausgereiften Apps und den sinkenden Kosten für die Datenübermittlung ist zu erwarten, dass immer mehr Leser auf Online-Medien umsteigen werden.
TREIBSTOFF: Welche Social-Media-Kanäle werden in Polen hauptsächlich genutzt?
NONAS: Die neueste Umfrage von Sotrender ergab, dass Facebook mit mehr als 20 Millionen Nutzern weiterhin der führende Social-Media-Kanal in Polen ist. YouTube belegt in dieser Kategorie den zweiten Platz. Auch Instagram und Twitter erreichen ein immer größeres Publikum. Hier ist anzumerken, dass Twitter als Medienkanal vor allem bei Vertretern aus Politik, Medien und Sport beliebt ist.
TREIBSTOFF: Wie gehen die polnischen Medien mit Social Media um?
NONAS: Zunächst einmal bieten soziale Netzwerke einen riesigen Wissensfundus, der von den traditionellen Medien immer häufiger für die Suche nach Themen genutzt wird. Vor allem Twitter, Facebook und YouTube werden zur Recherche genutzt. Daten der polnischen Medienaufsicht (IMM/Instytut Monitorowania Mediów) zeigen, dass die Anzahl an Zitaten, die aus Social-Media-Kanälen stammen, in den letzten beiden Jahren um das Dreifache gestiegen ist. Diese Zitate werden nicht nur von Nachrichtenportalen verwendet, sondern auch von Fernseh- und Rundfunksendern. Nach unseren Prognosen wird sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch weiter verstärken.
TREIBSTOFF: Gibt es noch weitere Beispiele dafür, wie polnische Medien die sozialen Netzwerke erobern?
NONAS: Im Bezug auf soziale Netzwerke unterscheidet sich der polnische Medienmarkt kaum von anderen europäischen Märkten. Auch wir sind von "Bewegtbild-Inhalten" abhängig geworden. Mit der Allgegenwart von Internet und Social Media ist die Verbreitung von Videos effektiver geworden. Heutzutage hat jeder Titel seine eigene Facebook-Fanseite, auf der komplette Inhalte oder Teaser-Versionen veröffentlicht werden. Video-Blogs, die von Redakteuren oder einzelnen beliebten Journalisten geführt werden, sind ebenso auf dem Vormarsch.
TREIBSTOFF: Welche Rolle spielt das Fernsehen in Polen?
NONAS: Die Rolle des Fernsehens ist seit vielen Jahren unverändert. Fernsehen ist immer noch die wichtigste Nachrichtenquelle für das aktuelle Geschehen im Inland als auch weltweit. Trotz wachsender Beliebtheit des Internets und fortschreitendem Ausbau der technischen Infrastruktur ist das Fernsehen das Medium mit der größten Reichweite in Polen. Laut Studien schauen 94,7 Prozent der Polen täglich fern. Zu den Fernsehanstalten mit den größten Marktanteilen gehören TVP 1, TVP 2, TVN und Polst.
TREIBSTOFF: Welche Quellen nutzen die Medien in Polen für die internationale Berichterstattung?
NONAS: Die Medien in Polen arbeiten hauptsächlich mit den nationalen Presseagenturen, die ein weltweites Korrespondentennetzwerk unterhalten. Die Presseagentur PAP, die Rundfunknachrichtenagentur IAR und die katholische Nachrichtenagentur KAI gehören seit vielen Jahren zu den führenden Agenturen. Ebenfalls hervorzuheben ist die Bedeutung der sozialen Netzwerke und der großen internationalen englischsprachigen Nachrichtenportale. Sie dienen den polnischen Medien als "Frühwarnsystem" für wichtige News.
TREIBSTOFF: Wie viel Vertrauen haben die Polen in die verschiedenen Medienarten?
NONAS: Es wäre einfacher, die Medien aufzulisten, die in Polen immer mehr Vertrauen verlieren. Aus einer aktuellen Befragung von Millward Brown geht hervor, dass das Vertrauen in alle Massenmedien seit einigen Jahren stetig sinkt. Laut Schätzungen haben 60 Prozent der Polen kein Vertrauen in die Berichterstattung im Rundfunk oder Fernsehen. Als generell misstrauisches Volk wird unsere Sichtweise auch von der aktuellen sozialpolitischen Situation des Landes geprägt. Das Internet könnte ein Lichtblick sein, da es in der polnischen Gesellschaft einen Ruf als vertrauenswürdiges Medium genießt, das verlässliche und unvoreingenommene Informationen liefert.
TREIBSTOFF: Gibt es PR-Maßnahmen, die in Polen nicht so gut funktionieren?
NONAS: Der polnische PR-Markt gehört zu den modernsten in Europa. Dies ist auf den Systemwechsel in Polen Ende der 80er zurückzuführen - der Markt ist jung und unsere Fachleute in diesem Bereich haben von den Besten gelernt. Darum setzen wir stets die jeweils neuesten PR-Tools für die europäischen und globalen Märkte ein. Man kann zwar nicht genau sagen, ob eines der Tools in Polen ein besonderer Misserfolg war, es gab jedoch in den letzten Jahren einen spürbaren Wandel bei der Inanspruchnahme des breiten Dienstleistungsspektrums, das die PR-Agenturen bieten. Die Kunden sowie ihre Agenturen legen den Schwerpunkt mittlerweile eher auf Beratung als auf die eigentliche Medienarbeit.
TREIBSTOFF: Gibt es noch weitere Tipps für eine erfolgreiche Kommunikation in Polen?
NONAS: Angesichts des allgemeinen Misstrauens der Polen ist es am wichtigsten, sich um eine konsistente Kommunikation zu bemühen. Viele Unternehmen und PR-Agenturen setzen auf kurzfristige Erfolge. Langfristig ist dies aber der falsche Weg. Der kontinuierliche Aufbau von Wert und Vertrauen in die Marke sollten an erster Stelle stehen.
Die polnische Nachrichtenagentur PAP ist Teil des internationalen Verbreitungsnetzwerkes von news aktuell. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Ihre Botschaften Gehör finden.
Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF: http://treibstoff.newsaktuell.de/medienlandschaft-polen/
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