BLOGPOST: Zukünftiger dpa-Chef Peter Kropsch: "Nichts entwickelt sich so dynamisch wie Kommunikation"
Der Österreicher Peter Kropsch ist neuer Steuermann bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Ab Februar übernimmt er am Hamburger Mittelweg als Vorsitzender der Geschäftsführung die Leitung der größten Nachrichtenagentur Deutschlands. Er folgt damit auf Michael Segbers, der zu diesem Zeitpunkt die Geschäftsführung verlassen wird und in den Ruhestand geht. TREIBSTOFF sprach mit Peter Kropsch über den deutschen Medienmarkt, über die PR-Branche und über Labskaus.
TREIBSTOFF: Was fällt einem Österreicher zuerst ein, wenn er an Hamburg denkt?
KROPSCH: Das ist eine gute Frage. Was ist eigentlich hanseatisch? Was mir als erstes aufgefallen ist: Die Leute sind sehr relaxed. Die Stadt liegt nahe am Wasser und so hat jeder eine Beziehung zu diesem Element. Vor allem aber gibt es ein typisches hanseatisches Wohnen. Hohe Zimmer mit Schiebetüren. Das gefällt mir persönlich besonders gut.
TREIBSTOFF: Machen wir einen kleinen Hamburg-Test: Was schmeckt schlimmer? Labskaus oder Birnen, Bohnen und Speck?
KROPSCH: (lacht) Ich bin ein großer Fan von Labskaus. Überall wo es Labskaus gibt, esse ich es. Ich habe glaube ich schon drei oder vier verschiedene Labskaus-Variationen ausprobiert. Und die waren von ganz erträglich bis wirklich sehr gut.
TREIBSTOFF: Haben Sie Birnen, Bohnen und Speck auch schon getestet?
KROPSCH: Nein, aber das ist eine neue Erfahrung, die ich mir sicher nicht entgehen lassen werde.
TREIBSTOFF: Was sind Ihre ersten Eindrücke bei dpa?
KROPSCH: Ich freue mich sehr auf die Aufgaben. Die dpa ist im Vergleich zur APA aber doch ein gänzlich anderes Unternehmen. In ihren Grundzügen ticken Nachrichtenagenturen zwar ähnlich, aber die dpa hat eine deutlich internationalere Ausrichtung. Das ist für mich Neuland. Und natürlich hat jedes Unternehmen seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Die gilt es zu erfahren. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich in den ersten Monaten gemeinsam mit Michael Segbers arbeiten kann und er mich in die Geheimnisse des Unternehmens einweiht. Ich will in der Zeit bis zum Jahreswechsel lernen, wie die dpa tickt, und meine operativen Aufgaben sukzessive übernehmen.
TREIBSTOFF: Wissen Sie schon, was Anfang Februar anders sein wird, wenn Sie das Ruder komplett übernehmen?
KROPSCH: Diese Frage wird mir häufig gestellt. Ehrlich gesagt kann ich nicht viel dazu sagen. dpa ist ein Unternehmen, das gut läuft. Es wird unsere Aufgabe sein, das Unternehmen auf diesem Weg weiterzuentwickeln und besonders auf die Wachstumsthemen zu achten. Ich glaube nicht, dass ab Februar sofort irgendetwas gravierend anders sein wird. Wir müssen, genau wie Michael Segbers es die letzten Jahre getan hat und wie es die Aufgabe des Managements ist, immer ein, zwei, drei Jahre in die Zukunft sehen und das Unternehmen für alle Herausforderungen fit machen. Und diese Herausforderungen wandeln sich beständig.
TREIBSTOFF: Was ist bei dpa auf den ersten Blick anders als bei APA?
KROPSCH: Auf den ersten Blick natürlich die gesamte internationale Organisation mit den mehrsprachigen Diensten und dem direkten Sourcing durch die zahlreichen eigenen Büros. Letzteres wollen wir bei Bild noch kräftig ausbauen. Obwohl beide Agenturen auf eine lange Tradition der Unabhängigkeit zurückblicken können, haben sich die Unternehmen in den letzten Jahrzehnten recht unterschiedlich entwickelt.
Ich glaube die auffälligste Konstante sind die Nachrichtendienste, die in ihrer Bedeutung, in ihren Qualitätsansprüchen und in ihrer Multimedialität, sehr ähnliche Entwicklungen genommen haben, natürlich aber in unterschiedlicher Größe.
Beide Agenturen haben Organisationen wie news aktuell in der Gruppe. Bei der APA ist dies APA OTS. Beides Unternehmen, die in den letzten Jahren schon sehr intensiv zusammengearbeitet haben. news aktuell und APA OTS haben teilweise parallele Produktentwicklungen gemacht und kennen sich einfach sehr gut.
Es gibt auch echte Gemeinschaftsunternehmen. Beispielsweise ist die APA minderheitsbeteiligt an dpa-AFX, der großen Finanznachrichtenagentur, die sich in den letzten Jahren sehr erfolgreich entwickelt hat. Man hat mit der dpa digital services ein Gemeinschaftsunternehmen geschaffen für den Bereich des digitalen Publizierens via Apps und e-paper, die in Deutschland eine deutlich höhere Verbreitung haben als in Österreich.
Ein Unterschied zu dpa ist vielleicht die sehr starke Technologiefirma der APA, die einen sehr hohen externen Umsatz macht. Wobei dpa natürlich mit den drei Technologieunternehmen der Gruppe ebenfalls hohe Kompetenz hat.
TREIBSTOFF: Anfang der 2000er Jahre waren Sie selber Chef von APA-OTS. Sie kennen also das PR-Business aus erster Hand - zumindest mit einigen Jahren Abstand. Was hat sich für PR-Dienste wie news aktuell seitdem verändert?
KROPSCH: Dienste wie news aktuell oder APA OTS sind immer hart am Wind der Innovation gelaufen, denn nichts entwickelt sich so dynamisch wie Kommunikation. Deswegen waren diese Dienste auch immer mit die Ersten, die neue technische Möglichkeiten aufgegriffen haben.
Kommunikation hat sich gewandelt: Meine ersten Erfahrungen mit APA OTS beginnen im letzten Jahrtausend. Da war die Kommunikation über technische Mittel an ein Publikum noch komplett one-way organisiert. Man hat Mitteilungen an eine definierte Zahl an Medien ausgeschickt. Das war alles. Heutzutage ist Kommunikation unendlich vielfältiger und hat zusätzlich noch eine Reihe von Rückkanälen. Stichwort: Soziale Medien. Es gibt heute neue Zielgruppen, die es damals noch nicht gegeben hat. Unternehmen müssen heute viel intensiver kommunizieren und dabei die spezifischen Kommunikationsinteressen beachten. Also: Wie erreiche ich zum Beispiel junge Zielgruppen? Oder wie erreiche ich jene Zielgruppen, die auch tatsächlich an der Kommunikation teilnehmen?
Die ganze Kommunikation ist individueller, schneller und vor allem messbarer geworden. Deshalb gibt es große Herausforderungen für Unternehmen wie news aktuell und seine Kunden.
TREIBSTOFF: Was macht für Sie den deutschen Medienmarkt besonders aus?
KROPSCH: Wenn man sich die Zahlen des deutschen Medienmarktes anschaut, fällt insbesondere die Vielzahl der Medien und die Größe der Verlagsgruppen auf. Deutschland ist der schwergewichtigste europäische Medienmarkt. Deutschland hat, denke ich, etwas sehr interessantes: Trotz aller rückgängigen Auflagenzahlen gibt es eine sehr hohe Treue der Kunden zu ihren Medienmarken und einen nach wie vor großen Lesermarkt. Das ist eine Parallele zum österreichischen Markt. Aber auch ein Gegensatz zu dem, was in den südeuropäischen Märkten stattfindet. Das heißt, es gibt noch viel Potenzial, den Wandel kontrolliert durchführen zu können. Aber nichts desto trotz sind natürlich die Determinanten des Wandels in Deutschland genauso gültig wie für alle anderen Märkte.
TREIBSTOFF: Welche Bedeutung hat Gewinn für eine Nachrichtenagentur?
KROPSCH: Gewinn ist für eine Nachrichtenagentur anders definiert als bei vielen anderen Unternehmen. Was sind die wichtigsten Güter für eine Nachrichtenagentur? Das sind Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit im Kerngeschäft. Und beides kann man am besten erbringen, wenn das Unternehmen wirtschaftlich gesund ist. Unabhängigkeit durch wirtschaftliche Stärke ist für privat geführte Nachrichtenagenturen ein zentraler Leitsatz. Deswegen sehe ich persönlich den Gewinn für eine Nachrichtenagentur zwar als wichtig an, aber er hat zunächst einmal die gleiche Funktion wie die Mindestflughöhe für ein Flugzeug. Man muss auf einer gewissen Höhe fliegen, damit man bei Turbulenzen nicht sofort in den nächsten Berg oder den nächsten Baum hinein fliegt. Nachrichtenagenturen sind in der Regel keine Unternehmen, die auf Gewinnmaximierung gehen, aber sie brauchen den Gewinn um ihr ureigenstes Gut, nämlich die Unabhängigkeit und die Zuverlässigkeit, nachhaltig abzusichern.
TREIBSTOFF: Was werden die ersten thematischen Schwerpunkte sein ab Anfang nächsten Jahres? Kann man das schon sagen?
KROPSCH: Ich nehme mir erst einmal die Zeit zu verstehen, wie die dpa funktioniert. Jeder Tag, den ich bei dpa verbringe, hat für mich Lerneffekte. Wir werden die Schwerpunkte so setzen, dass wir nicht nur ein gutes Unternehmensergebnis für 2017 schaffen, sondern auch entsprechendes Wachstum für die nächsten Jahre.
TREIBSTOFF: Was sind die maßgeblichen Digitaltrends, die das Business einer Nachrichtenagentur beeinflussen werden?
KROPSCH: Die Digitalisierung wird zu vermehrter Zusammenarbeit der gesamten Branche führen. Wir werden nicht nur mehr Möglichkeiten in der Belieferung sondern auch im Austausch finden. Und zusätzliche Services schaffen. Ich glaube, dass wir die Möglichkeiten, die die Technologie bietet, noch lange nicht ausgeschöpft haben. Und dies vor allem in der Kombination mit Nachrichten. Kein Projekt, das wir heute machen, kommt ohne erheblichen Technologieschwerpunkt aus. Ich glaube, dass wir durch Initiativen wie unser dpa next lab oder das scoopcamp viel über alternative Herangehensweisen lernen können. Und wir müssen das auch ins Unternehmen hereinlassen und das Geeignete übernehmen. Es gibt viele Anregungen, die auch im Kerngeschäft ihre Wirkung entfalten können. Das müssen wir sicherstellen.
TREIBSTOFF: Vielen Dank für das Gespräch.
Peter Kropsch leitete von 2009 bis 2016 die österreichische Presseagentur APA, bis er im September zur Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Hamburg wechselte. Von Anfang bis Mitte der 90er Jahre war Peter Kropsch Wirtschaftsjournalist bei einer vwd-Tochtergesellschaft in Wien. 1996 kam er zur APA und arbeitete in verschiedenen Funktionen an der Diversifikation des Unternehmens. 2006 stieg er in die Geschäftsführung der Gruppe auf und wurde drei Jahre später zum CEO ernannt. 2012 bis 2014 stand Peter Kropsch als Präsident an der Spitze der European Alliance of News Agencies (EANA). 2015 wählte ihn das Fachmedium "Der österreichische Journalist" zum "Medienmanager des Jahres". Peter Kropsch ist verheiratet und hat drei Kinder.
Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF: http://treibstoff.newsaktuell.de/interview-dpa-chef-peter-kropsch/
Was ist TREIBSTOFF?
TREIBSTOFF ist das Blog der dpa-Tochter news aktuell. Es geht dort um die Themen Kommunikation, Pressearbeit und Social Media. Und manchmal auch um news aktuell selbst. Welche Trends, welche Apps, welche Themen bewegen Kommunikationsfachleute heute? Wie sieht unser Arbeitstag aus? Was ist wichtig für die Karriere? Best Practice, Interviews und Gastbeiträge warten auf PR-Profis und Pressesprecher. Ein Mal pro Quartal gibt es TREIBSTOFF auch als gedrucktes Magazin.