BLOGPOST: "Ehrlichkeit ist der beste Weg im Umgang mit den Medien" - Interview mit dpa-Chefredakteur Sven Gösmann
Fake News zielen häufig darauf ab, die etablierten Medien zu diskreditieren. Doch wie gefährlich sind Falschmeldungen wirklich für die Glaubwürdigkeit deutscher Journalisten? TREIBSTOFF fragt bei dpa-Chefredakteur Sven Gösmann nach. Ein Gespräch über die Beziehung zwischen PR und Medien, über Transparenz, Facebook-Bubbles und Strategien gegen Falschmeldungen.
TREIBSTOFF: Journalisten wissen, dass gefälschte Nachrichten kein neues Phänomen sind - inwiefern ist das Thema Fake News trotzdem eine neue Herausforderung?Sven Goesmann Falschmeldungen
GÖSMANN: Gefälschte Nachrichten mit dem Ziel, politische Prozesse oder die Wahrnehmung von Unternehmen zu beeinflussen, gibt es, seitdem es Menschen gibt. Früher wurden sie am Dorfbrunnen ausgetauscht. Heute tauscht man sie, und das ist das Neue, sehr dynamisch, schnell und unkontrollierbar über die sozialen Medien aus. Auch das Widerlegen von Desinformation und Propaganda führt nicht dazu, dass diese aus der Welt sind. Man muss ertragen lernen, dass das Wahre und das Falsche nebeneinander stehen.
TREIBSTOFF: Viele Falschmeldungen zielen darauf ab, die Glaubwürdigkeit der etablierten Medien zu untergraben. Wie sehr ist diese im Jahr 2017 Ihrer Meinung nach gefährdet?
GÖSMANN: Medien, zumindest die deutschen, haben nach wie vor Grund zum Selbstbewusstsein, weil es hier guten bis sehr guten Journalismus gibt. Aber es gibt natürlich Fehler. Was wir Journalisten lernen müssen ist, transparenter mit diesen Fehlern umzugehen und sie schnell und für alle sichtbar aufzuklären und zu korrigieren. Das trägt zur Glaubwürdigkeit bei. Darüber hinaus muss man besonders dort glaubwürdig sein, wo Menschen am ehesten nachvollziehen können ob es stimmt, was Medien berichten: Werden alle Seiten in einem Konflikt in Deutschland und vor meiner Haustür gehört, oder wird eine Seite gefühlt oder tatsächlich bevorzugt? Wer Vertrauen zu einem Medium hat, wenn er glaubt, es auch beurteilen zu können, der akzeptiert auch eher, dass ihm die Tageschau oder die dpa versuchen zu erklären, wie es anderswo auf der Welt ist.
TREIBSTOFF: Falschmeldungen verbreiten sich insbesondere über soziale Medien, in denen der Nutzer selbst potenziell auch zum Publizisten wird. Sehen Sie darin auf längere Sicht eine gewisse Bedrohung einer klassischen Kernkompetenz der etablierten Medien?
GÖSMANN: Ja, vor allem weil etablierte Medien häufig schon aus dem Medienportfolio zumindest einzelner Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen sind. Wer in seiner Facebook-Bubble lebt und alles negiert, was von außen kommt, der schafft es immer wieder, sein Weltbild zu bestätigen. Die Zahl derjenigen, die sich auf diese Weise informieren, wird größer. Für klassische Medien sind sie weniger erreichbar und diese Menschen misstrauen ihnen mehr. Das ist ein relativ großes gesellschaftliches Problem. Die Frage danach, ob die Medien tatsächlich alles berichten, ist gesellschaftsfähig geworden. Man tut sich schwerer zu akzeptieren, dass in einer vielfältigen Gesellschaft die Wahrheit häufig komplex ist.
TREIBSTOFF: Wie geht die dpa konkret vor, um Falschmeldungen zu entlarven?
GÖSMANN: Unsere journalistische Grundtugend ist die Skepsis. Kann das stimmen? Entspricht es bisherigen Erfahrungen? Wer hat davon einen Nutzen? Kennen wir diese Quelle, hat sie einen glaubwürdigen Record - nicht nur bei Twitter sondern auch im realen Leben? Kann ich eine zweite oder dritte Quelle auftun, die mir das bestätigt? Dazu kommen technische Tools. Wir haben neue Rollen in den Redaktionen eingeführt. Der sogenannte Listening Officer beobachtet soziale Medien jedweder Art auf Klumpen von Nachrichten, die darauf hindeuten, dass irgendwo etwas passiert. Wir führen außerdem die Rolle eines sogenannten Verification Officers ein. Das ist jemand, der große Erfahrung darin hat, zu erkennen ob Meldungen plausibel sind. Dazu kommt unser Korrespondentennetz, das wir fragen können, ob etwas an einem bestimmten Ort wirklich gerade ein Thema ist, oder ob das nur hier behauptet wird. Und wir sind Teil der First Draft Coalition. Das Ziel dieses Netzwerks aus internationalen Nachrichtenorganisationen, zu dem auch die Washington Post, die New York Times, die AP und Reuters sowie in Deutschland unter anderem die ARD und die dpa gehören, ist der Austausch der bestmöglichen Techniken und Erfahrungen zum Identifizieren solcher Nachrichten.
TREIBSTOFF: Zum Tagesgeschäft vieler Journalisten gehört der Umgang mit Inhalten aus PR und Unternehmenskommunikation. Inwiefern stehen auch diese Branchen in der Pflicht, neue Strategien gegen Fake News zu entwickeln?
GÖSMANN: Die Kommunikationsbranche tut sich keinen Gefallen, wenn sie übertreibt oder Dinge falsch darstellt. Mittel- und langfristig ist Ehrlichkeit der beste Weg im Umgang mit Medien, denn sie zahlt sich aus. Es bildet sich gegenseitiges Vertrauen und es entsteht eine Glaubwürdigkeit der Marke. Alles andere merken sich Journalisten. In der Vergangenheit haben Unternehmen immer wieder lange gebraucht, um nach katastrophaler PR in eigener Sache eine gewisse Reputation wiederzuerlangen. Dazu kommt: Transparenz und Dialog sind nicht zu ersetzen. Die Profis wissen das und verhalten sich so. Andere versuchen immer noch, mit einer vor Superlativen strotzenden Pressemitteilung einen Gemüsehobel in die Medien zu bekommen. So funktioniert die Welt nicht mehr - auch nicht die virale Welt, die dann wieder ihre Rückkopplung in den traditionellen Medien findet. Es gilt nach wie vor: Wenn neben dem ehrbaren Kaufmann der ehrliche Kommunikator steht, dann wird er sein Ziel erreichen, nämlich dass über und mit ihm gesprochen wird.
Dieses Interview erschien ursprünglich im kostenfreien Whitepaper "Die große Falle: Was das Phänomen Fake News für Kommunikation und PR bedeutet".
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Inhalte des Whitepapers:
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- Fünf Gründe warum Fake News die Kommunikation nachhaltig verändern
- Vom Lacher bis zum Image-Schaden: Fake News und ihre Bedeutung für PR-Profis
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- Mit Ehrlichkeit und gutem Handwerk zu mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit: Kommunikationsexperten aus Unternehmen, Behörden und Agenturen über die Bedeutung von Fake News für die PR (Christiane Schulz / Weber Shandwick, Barbara Schädler / E.ON SE, Susanne Hudelist / ikp Wien, Susanne Marell / Edelman.ergo, David Faulhaber / Polizeipräsidium Mannheim, Dominik Höch / Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Lina Mallon, Lifestylebloggerin & Kolumnistin)
- Was wird gegen Fake News getan? Medien-Initiativen gegen gefälschte Nachrichten
Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF:
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