BLOGPOST Pressefotografie zur WM 2018: "Sich mit den Besten messen"
In einer Woche startet die Fußball-Weltmeisterschaft. Um sich darauf vorzubereiten, waren die deutschen Spieler bis heute im Trainingslager in Südtirol. Fotograf Christian Charisius war in Eppan mit dabei, um für die Deutsche Presse-Agentur die wichtigsten Highlights und die Stimmung vor Ort einzufangen. In TREIBSTOFF erzählt der dpa-Fotograf von seinen persönlichen Eindrücken und den fotografischen Herausforderungen.
TREIBSTOFF: Der DFB hat sich Eppan in Südtirol als Trainingslager ausgesucht. Inwieweit stand die sonst wohl eher beschauliche Gegend Kopf?
CHARISIUS: Auf dem Kopf stand die Gegend in diesen Tagen nicht. Es war nur an einigen Flaggen und Postern zu erkennen, dass hier die Nationalmannschaft im Trainingslager war. Die Tourismusverantwortlichen und auch zahlreiche Südtiroler haben es aber verstanden, dies für sich und ihre Gäste zu nutzen. Beispielsweise war die Dekoration in Supermärkten und anderen Läden farblich auf den DFB-Besuch abgestimmt. Hier und da sah man also kleine Wimpel oder auch schwarz-rot-goldene Törtchen. Rund um das Hotel und die Trainingsanlage sah es aber schon anders aus. Sicherheitsdienste und Polizisten aus Südtirol sicherten Hotel und Sportplatz ab. Dennoch hatte ich nicht den Eindruck, dass hier in einem Hochsicherheitsbereich gelebt und gearbeitet wurde. Zahlreiche Fans und neugierige Zaungäste versuchten immer wieder einen Blick auf die Spieler oder das Training zu erhaschen, das gelang aber nur sehr dürftig. Meistens war die Stimmung unter den Zuschauern jedoch ganz gut, so dass es eher wie ein Happening wirkte und nicht wie ernste Trainingsbeobachtung.
TREIBSTOFF: Bereits zum dritten Mal war Bundestrainer Jogi Löw mit seinem Team in Südtirol. Was hat die Region deiner Meinung nach an sich, dass es ihn hier immer wieder hinzieht?
CHARISIUS: Die Region in Südtirol ist wirklich malerisch, das Wetter stabil, und wenn es mal regnet, dann ist es meist nach einem heftigen Gewitter wieder richtig schön. Nachts kühlt es angenehm ab, so dass die allgemeinen Trainings- und Erholungsbedingungen sicherlich optimal sind. Viel wichtiger aber ist es meiner Ansicht nach für den DFB, dass die Hotelanlage und der hervorragend ausgebaute Trainingsplatz - die Sportanlage Rungg - so nah beieinander liegen. Einige Spieler, Betreuer und Ärzte fuhren jeden Tag mit dem Mountainbike zum Trainingsplatz, manche - etwa Thomas Müller - auch mit dem Elektro-Mountainbike.
TREIBSTOFF: Wie sah ein "normaler" Trainingstag in Eppan für dich als Pressefotograf aus?
CHARISIUS: An einem normalen Trainingstag durften wir leider nur eine Trainingseinheit für circa 15 Minuten beobachten. Es blieb also nur wenig Zeit und in dieser Viertelstunde wärmte sich die Mannschaft meistens auch noch auf oder machte leichte Dehnung und Vorbereitungsübungen. Spielszenen mit Ball waren eher selten zu sehen. Das Torwarttraining war auch oft am anderen Ende des Platzes, so dass die Möglichkeiten zum Fotografieren ziemlich eingeschränkt waren. Wir Journalisten - ob mit Fotoapparaten oder Fernsehkameras ausgerüstet - standen auf einer Tribüne und hatten somit zwar einen guten Überblick, waren aber ziemlich weit weg vom Geschehen. Gegen 12:30 Uhr gab es dann die tägliche Pressekonferenz, bei der wir auch fotografieren konnten. Jogi Löw hat die Eröffnungspressekonferenz gegeben und an diesem Montag den Kader verkündet. An den anderen Tagen waren entweder Assistenztrainer, Teammanager oder auch Spieler auf dem Podium und haben unsere Fragen beantwortet.
TREIBSTOFF: Wie groß ist die Konkurrenz zu den anderen Pressefotografen?
CHARISIUS: Konkurrenz gibt es immer, aber wir sehen das hier sehr sportlich. Die Fotomöglichkeiten waren ja wie gesagt sowieso eher eingeschränkt, und somit blieb es auch immer ein wenig Glück, im richtigen Moment auf Jogi Löw zu halten - etwa, wenn er gerade den Ball auf dem Finger balancierte oder eine andere spannende Aktion auf dem Trainingsplatz stattfand.
TREIBSTOFF: Was ist dein persönliches Lieblingsbild aus der Zeit im Trainingslager?
CHARISIUS: Mein Lieblingsbild sind die Zaungäste, die am Tag der Anreise der Nationalmannschaft versuchten, durch die riesige Hecke vor dem Hoteleingang einen Blick auf die Spieler zu werfen.
TREIBSTOFF: Du warst vor zwei Jahren bereits im EM-Trainingslager in Ascona. Waren die Arbeitsbedingungen für dich dieses Mal anders? Wenn ja, inwiefern?
CHARISIUS: Nein, die Arbeitsbedingungen waren ähnlich gut und professionell wie vor zwei Jahren im Trainingslager vor der Europameisterschaft. Der DFB und auch die Verantwortlichen in Südtirol schaffen es jedes Mal, sowohl für die Mannschaft als auch für uns Journalisten sehr gute Arbeitsbedingungen herzustellen, was die technischen und logistischen Anforderungen betrifft. Also WLAN, Arbeitsplätze, Parkplätze und so weiter. Aber hinsichtlich der eigentlichen Berichterstattung habe ich das Gefühl, dass der DFB uns Journalisten noch mehr "beobachtet" oder auch "kontrolliert" als früher, etwa durch die strikten Begrenzungen bei den Trainingseinheiten. Das ist schade, denn dadurch haben wir Journalisten einen sehr engen Handlungsspielraum und wenig Beobachtungsmöglichkeiten, um uns ein klareres Bild der Situation zu machen.
TREIBSTOFF: Spürte man eigentlich in Eppan auch diesen "Teamspirit", von dem so viel bei der WM 2014 gesprochen wurde?
CHARISIUS: Die Stimmung in der Mannschaft wurde vom Trainer, den Spielern und allen, die auf der Pressekonferenz danach gefragt wurden, immer wieder als sehr gut, harmonisch und teamorientiert beschrieben. Mir blieb in der kurzen Zeit einer Trainingseinheit aber wie schon beschrieben kaum die Gelegenheit, um mir einen wirklich differenzierten Eindruck zu verschaffen. Aber so wie ich das mitbekomme ist die Stimmung locker und entspannt.
TREIBSTOFF: Am Montag wurde der endgültige Kader bekannt gegeben. Wie war die Stimmung an so einem Tag?
CHARISIUS: An diesem Tag war die Stimmung sicherlich etwas aufgeweckter, es gab auch mehr Journalisten, Fotografen und Fernsehteams als an den anderen Tagen. Jogi Löw selber hat aus meiner Sicht diesen Moment ohne besondere Anspannung absolviert. Er ist cool geblieben und hat die Bekanntgabe sicher auch ein bisschen inszeniert.
TREIBSTOFF: Was sind für dich als Pressefotograf die einschneidendsten Veränderungen der letzten 30 Jahre?
CHARISIUS: Bei der technologischen Entwicklung ist sicher der Wandel vom analogen Film hin zur digitalen Technik der entscheidendste Schritt gewesen. Auch in den letzten Jahren hat die digitale Technik gewaltige Fortschritte gemacht. Unsere Kameras sind mittlerweile fast ausgereizt. Auch die Übertragung der Bilder ist natürlich viel schneller geworden. Mittlerweile senden wir häufig unsere Aufnahmen direkt aus der Kamera in unsere Fotoredaktion nach Berlin, wo sie dann in kürzester Zeit kontrolliert und zum Kunden weitergesendet werden. Letztendlich macht das aber auch jeder Mensch, der mit seinem Smartphone fotografiert und die Bilder dann sofort in einem sozialen Netzwerk postet.
TREIBSTOFF: Du bist seit 30 Jahren im Geschäft. Was reizt dich denn immer noch an Sportfotografie?
CHARISIUS: Sportfotografie ist auch für uns Fotografen immer ein kleiner Wettbewerb. Spontaneität, Zufall und Glück spielen immer wieder eine große Rolle. Dennoch ist es wichtig, mit einem klaren Plan zu handeln und zu arbeiten. Oft sind sehr viele Kollegen und Kolleginnen bei solchen Ereignissen dabei und somit kann man sich täglich mit den Besten messen. Und wie auch für die Sportler ist es für uns Fotografen immer wieder eine Überraschung, was so alles passieren kann. Das ist für mich immer noch sehr reizvoll.
Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF:
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