BLOGPOST: Newsroom mit Ausblick - Praxiscase Deutsche Bank
Sie sind ein Wahrzeichen der Frankfurter Skyline: die Zwillingstürme der Deutschen Bank. In einem der beiden, in der 27. Etage, arbeitet das Team von Ralf Drescher. Er leitet den Newsroom des größten deutschen Kreditinstituts. Der ehemalige Wirtschaftsjournalist gab uns einen exklusiven Einblick in Struktur und Arbeitsabläufe sowie in seine Erkenntnisse aus der Einführungsphase des Newsrooms. Ein Gespräch über Zusammenarbeit, internationale Teams und über die Bedeutung von Strategie in Zeiten von zu viel Information.
news aktuell: Wann haben Sie den Newsroom bei der Deutschen Bank eingeführt?
Drescher: Vor rund drei Jahren. 2017 haben wir in unserer Etage zwei Einzelbüros abgerissen, um einen großen Raum zu schaffen. In die Mitte haben wir einen Konferenztisch und eine Monitorsäule gestellt und rund herum Arbeitsplätze gruppiert. So nutzen wir nun die maximale Fläche, um 30 Mitarbeiter und alle zentralen Kommunikationsfunktionen unterzubringen. Begonnen haben die Arbeiten am Newsroom aber bereits fast ein Jahr früher, denn neben den räumlichen Veränderungen mussten wir vor allem unsere Kolleginnen und Kollegen hinter dem Konzept vereinen. Vorher haben wir in Silos gearbeitet, und die Umstellung auf das kooperative Newsroom-Modell funktioniert nicht von heute auf morgen - auch wenn wir unser bewährtes Business-Partner-System beibehalten haben.
news aktuell: Was genau bedeutet das?
Drescher: Wir haben für jeden unserer Geschäftsbereiche - Privatkunden, Unternehmenskunden, Investmentbank und Vermögensverwaltung - aber auch für Infrastruktur-Funktionen wie Personal, Technologie oder Finanzen einzelne Kommunikationsteams, die quasi als unsere Reporter fungieren. Sie recherchieren Nachrichten und Geschichten und erstellen die Inhalte für alle Kanäle. Inhalte werden also dort produziert, wo die Information herkommt.
news aktuell: Und welche Rolle hat der Newsroom?
Drescher: Der Newsroom ist für Themenabstimmung, Planung und Steuerung der Kommunikation verantwortlich und sorgt dafür, dass die Kommunikation der verschiedenen Business Partner stringent ist. Sonst gibt es im schlimmsten Fall eine Kakophonie und Botschaften werden verwässert. Und auch die Distribution der Inhalte auf die Kanäle liegt beim Newsroom: Unser Social-Media-Team etwa entscheidet, wann welche Inhalte auf Facebook, Twitter und LinkedIn geteilt werden. Gleichzeitig nimmt das Team eine Beraterrolle für die Content-Ersteller ein: Welches Format passt? Wäre Zusatzmaterial wie etwa eine Infografik angebracht? Was sind gerade die aktuellen Trends auf den einzelnen Kanälen?
news aktuell: Ist der Newsroom auch für das Intranet der Deutschen Bank zuständig?
Drescher: Ja. Die interne Kommunikation ist eines der zentralen Aufgabenfelder unseres Newsrooms. Die knapp 90.000 Mitarbeiter der Deutschen Bank sind noch vor den Journalisten unsere wichtigste Zielgruppe. Gerade wenn ein schwieriges Thema aufkommt, ein kritischer Medienbericht etwa oder ein Gerichtsbeschluss, können wir intern direkt darauf reagieren. Unser Ziel ist es, die Mitarbeiter zeitgleich mit der Öffentlichkeit oder zumindest kurz danach auf den aktuellsten Stand zu bringen. Wir veröffentlichen dann Frage-Antwort-Kataloge und Sprachregelungen zum jeweiligen Thema, um unseren Kollegen Orientierung zu geben, was sie gegenüber Kunden kommunizieren können.
news aktuell: Über welche Kanäle kommunizieren Sie in der internen Kommunikation?
Drescher: Wir haben ein Intranet, eine Art "Social Intranet" und an allen wichtigen Standorten Monitore, so genannte Brand Screens, über die wichtige Informationen angezeigt werden. Viele Kollegen erreichen wir nach wie vor aber am besten per Mail, deswegen gibt es verschiedene Newsletter, und wir schicken einmal pro Woche eine Mail an alle Mitarbeiter, in der wir die zentralen Ereignisse der Woche einordnen. Aber wir entwickeln gerade auch eine App fürs Smartphone, denn inzwischen sind immer mehr Mitarbeiter mobil am besten zu erreichen.
news aktuell: Welcher Content kommt bei den Mitarbeitern gut an?
Drescher: Informationen zu aktuellen Themen und zur Unternehmensstrategie sowie alles, was sich um Gehälter, Beförderungen oder ähnliches dreht, wird natürlich am meisten geklickt. Aber wir wollen nicht nur faktisch berichten, sondern auch Geschichten über unsere Mitarbeiter erzählen, die die Vielfalt und Möglichkeiten unserer weltweiten Organisation transportieren. Und wir versuchen auch immer mal wieder Ungewöhnliches oder Überraschendes. Zum Beispiel haben wir im Sommer einmal einen unserer Wachhunde portraitiert, der am liebsten im Brunnen vor unserem Eingang in Frankfurt badete. Das fanden einige banal und überflüssig, vielen anderen hat die Lektüre aber schlicht Spaß gemacht. Und auch das wollen wir schaffen.
news aktuell: Apropos Spaß. Die Bankenbranche gilt immer noch als konservativ. Wie locker geht es im Newsroom der Deutschen Bank zu. Gibt es einen bestimmten Dresscode?
Drescher (schmunzelt): Da hat sich schon viel getan. Als ich hier vor vier Jahren anfing, war die Krawatte weitgehend gesetzt und viele Kollegen haben sich gesiezt. Überhaupt gab es viel weniger persönlichen Austausch, nicht zuletzt durch die räumliche Trennung. Als wir in den Newsroom gezogen sind, mussten sich einige Kollegen erstmal persönlich vorstellen - obwohl sie schon Jahre zusammengearbeitet hatten. Das ist heute anders: Wir interagieren sehr viel, das "Du" ist die Regel, der Schlips weitgehend verschwunden - und Spaß haben wir jede Menge.
news aktuell: Wie integriert sind Marketing und Kommunikation bei Ihnen?
Drescher: Die Kommunikation hat den Hut auf bei der Unternehmensmarke. Das Marketing wiederum ist in den einzelnen Geschäftsbereichen angesiedelt. Kommunikation und Marketing versuchen, sich so eng wie möglich auszutauschen. Mit den Kollegen in der Privatkundenbank entwickeln wir etwa gerade ein gemeinsames Zielgruppenmodell. Aber es gibt keine Berichtslinien, keine hierarchische Ordnung zwischen Kommunikation und Marketing, die Kooperation funktioniert vor allem, weil die Kollegen auf beiden Seiten das wollen und menschlich harmonieren.
news aktuell: Ihr Newsroom ist wie die Kommunikation der Deutschen Bank global ausgerichtet. Sie haben neben Frankfurt auch Mitarbeiter in London, New York und Singapur bzw. Hongkong. Wie sieht die internationale Teamzusammenarbeit in der Praxis aus?
Drescher: Wir haben Kollegen an mehr als einem Dutzend Standorten, die alle an unserer Morgenkonferenz teilnehmen - mit Ausnahme des US-Teams, mit dem wir uns am Nachmittag abstimmen. Daneben gibt es weitere globale Wochen- und Monatsrunden, aber im Grunde sind wir täglich im Austausch mit unseren Außenbüros. Bei nur regional relevanten Themen arbeiten diese sehr autark, bei größeren Themen planen wir gemeinsam - und natürlich bei Krisenthemen, die global zum Teil ganz unterschiedlich aufschlagen können.
Ganz wichtig ist bei all dem, dass wir auf einer gemeinsamen Plattform arbeiten. Wir haben ein zentrales Messaging und ein gemeinsames Planungstool, das mit unserem Redaktionssystem verknüpft ist. Und wir haben einheitliche Standards: Jeder Text, der nach draußen geht oder für alle Mitarbeiter weltweit bestimmt ist, wird nochmal von dem sogenannten "Editing Team" gelesen, das auf Stoßrichtung, Messaging und Sprache checkt - wie die Schlussredaktion einer Zeitung. Da kann es auch schon mal vorkommen, dass ein Text zurückgeht mit der Bitte, ihn komplett neu zu schreiben. Das mag natürlich nicht jeder, und am Anfang sahen manche Kollegen den Newsroom als bürokratische Instanz, die ihnen das Leben schwerer macht. Inzwischen sind wir sehr gut zusammengewachsen und wissen, was wir am jeweils anderen haben. Dennoch müssen wir immer weiter daran arbeiten, die Zusammenarbeit zu verbessern.
news aktuell: Was bedeutet das konkret?
Drescher: Wir müssen uns immer wieder gemeinsam fragen, wo wir hinwollen. Viele Mitarbeiter der Kommunikation kommen historisch nicht aus der Content-Produktion, sondern aus den eher reaktiven Bereichen von Öffentlichkeitsarbeit - insbesondere aus Krisenmanagement und Medienbetreuung. Und je nach Geschäftsbereich hat Kommunikation auch einen sehr unterschiedlichen Stellenwert. Da treffen verschiedene Kulturen aufeinander, die sich nur in einem ständigen Prozess annähern können.
news aktuell: Luft nach oben gibt es also noch?
Drescher: Ja klar. Ich würde sagen, was wir hier machen, ist dauerhafter Fortschritt. Wir passen Prozesse an, ändern Strukturen. Zum Beispiel teilen wir momentan neben der Zuordnung nach Geschäftsbereichen auch stärker in offensive und defensive Teams auf. Sprich, wir bündeln die Leute, die sich mehr auf das Vermarkten unserer Erfolge konzentrieren, und auf der anderen Seite diejenigen, die sich mehr auf Krisenthemen fokussieren. Wir werden mit jeder Änderung ein bisschen besser.
news aktuell: Wie stark eingebunden ist der Newsroom in die Unternehmensstrategie?
Drescher: Als Leiter des Newsrooms berichte ich direkt an Jörg Eigendorf, unseren Kommunikationschef, und der wiederum direkt an unseren Vorstandschef Christian Sewing. Unsere ganze Kommunikationsstrategie leitet sich von der Unternehmensstrategie ab. Und wir haben das Glück, dass wir sehr stark eingebunden sind. Die Kommunikation wird in der Bank als strategische Funktion akzeptiert. Wir fungieren als Berater und nicht nur als Sender.
news aktuell: Was sind Ihre Erkenntnisse nach drei Jahren Newsroom? Was würden Sie rückblickend anders machen?
Drescher: Als ehemaliger Journalist habe ich mehr die "Machen wir mal"-Devise verinnerlicht. Daher habe ich das Bedürfnis nach klaren Prozessen, Regeln und Zuständigkeiten unterschätzt. Heute würde ich die Einführung eines Newsrooms sicher etwas anders angehen und die Strukturen vorher klarer definieren. Wir dürfen uns auch nicht zu Tode prozessieren, vieles muss man einfach flexibel handhaben, gerade im Tagesgeschäft. Aber es braucht mitunter mehr Anleitung. Ich selbst kenne Newsrooms seit fast 20 Jahren, aber für andere hier in der Deutschen Bank war das Konzept komplett neu, und ihnen war anfangs gar nicht so klar, was der Newsroom konkret im Alltag bedeutet. Das hätten wir noch intensiver erklären müssen.
news aktuell: Eignet sich die Newsroom-Struktur für jedes Unternehmen?
Drescher: Das ist letztlich eine Frage der Etikettierung. Wenn ich nur fünf Leute habe, dann erwarte ich hier per se eine intensive Zusammenarbeit - ob ich es nun Newsroom oder "gutes Team" nenne. Unabhängig von Größe sehe ich kein Kriterium, das eine Newsroom-Struktur ausschließen würde. In einer Welt mit einer Vielzahl verschiedener Stakeholder und diversen analogen und digitalen Kanälen, die wir beobachten und selbst inhaltlich bespielen, hilft diese Art der Zusammenarbeit ungemein, um Ordnung, Orientierung und Koordination hineinzubringen. Deshalb bin ich auch nach den drei Jahren Newsroom bei der Deutschen Bank und 15 Jahren im Journalismus absoluter Fan davon. Die koordinierte Arbeit, bei der an einem zentralen Platz alle Informationen zusammenlaufen, kann für niemanden falsch sein.
news aktuell: Fördert die Newsroom-Struktur eher das Spezialistentum oder das Generalistentum?
Drescher: Vor Einführung des Newsrooms hatten wir viele Silos, jeder hat mehr für sich gearbeitet. Im Extremfall hat einer die Medienmitteilung geschrieben, ein anderer daraus die Social-Media-Nachricht formuliert, ein weiterer die interne Mitteilung. Da herrschte eher Spezialistentum als heute, da wir viel mehr Hand in Hand arbeiten. Man bekommt auch viel mehr voneinander mit, teilt mehr Wissen und plant gemeinsam. Insofern würde ich sagen, dass die Newsroom-Struktur eher das Generalistentum fördert und Wissen verbreitert.
news aktuell: Wird man denn in Zukunft noch mehr kommunizieren müssen?
Drescher (lacht): Mehr als jetzt können wir kaum kommunizieren. Wir würden sogar gerne weniger machen, wenn die große Aufmerksamkeit, die auf der Deutschen Bank liegt, mal etwas nachlässt. Aber im Ernst: Viel ist nicht besser. Unser Ziel ist es eher, stärker zu fokussieren und noch strategischer zu kommunizieren. Ein Beispiel: Wir wollen in der nächsten Zeit drei Schwerpunkte bei den Themen Unternehmertum, Digitalisierung und Nachhaltiges Wachstum setzen. Derzeit entwickeln drei Teams bereichsübergreifend Pläne, was wir wann, wie und wo zu diesen Themen kommunizieren wollen. Unsere Kommunikation soll in Zukunft weniger punktuell und häufiger wie eine Kampagne funktionieren, in der einzelne Beiträge zeitlich abgestimmt ineinandergreifen. So erhöhen wir die Chance, dass unsere Botschaften verfangen und setzen im besten Fall relevante Themen, die unseren Zielgruppen einen Mehrwert bieten und zum Mitdiskutieren einladen.
Interview: Beatrix Ta
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Dieser Beitrag ist ein Original-Post aus dem news aktuell Blog:
https://treibstoff.newsaktuell.de/newsroom-mit-ausblick-praxiscase-deutsche-bank/
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