BLOGPOST Einsamkeit im Home-Office: Wie die Pandemie Kommunikation verändert
Nach über einem Jahr Corona Pandemie und zahlreichen Monaten des Lockdowns ist Home-Office für viele Beschäftigte alltäglich geworden. Das geht nicht spurlos an ihrer Psyche vorbei. Eine Studie der BARMER und der Universität St. Gallen hat die Auswirkungen der digitalen Arbeitswelt auf Gesundheit und Produktivität beleuchtet. Studienleiter und Gesundheitsforscher Stephan Böhm gibt Einblicke in die Ergebnisse der Studie und verrät konkrete Kommunikationstipps für das Home-Office.
Von zuhause aus arbeiten ist ein Segen und ein Fluch zugleich, denn während Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von gewonnener Freiheit, weggefallenen Arbeitswegen und gesteigerter Produktivität profitieren, leiden sie unter Konflikten zwischen Familie und Beruf, zu wenig Bewegung und Einsamkeit.
Nach den ersten Befragungen im Sommer 2020 für die Studie social health@work konnten wir nun mit den zweiten Studienergebnissen ein halbes Jahr später Rückschlüsse auf die Auswirkungen von Home-Office über einen längeren Zeitraum ziehen. Unsere Erkenntnisse zeigen, welche zum Teil dramatischen Folgen der falsche Umgang mit Home-Office auf das Wohlbefinden mobil Beschäftigter haben kann.
Die Pandemie verändert Kommunikation
Lockdown, Home-Office und Videokonferenzen gehen Hand in Hand – Die folgenden Ergebnisse der Studie werden Beschäftigte, die tagtäglich von zuhause aus arbeiten, deshalb nicht überraschen:
Der Anteil der Kommunikation durch Videocalls nahm seit Mitte 2020 bei mobil Beschäftigten um 46 Prozent zu, während das persönliche Gespräch um rund 28 Prozent seltener stattfand. Telefoniert wird ebenfalls häufiger, die Studie beobachtet einen Zuwachs von 22,5 Prozent auf 25,6 Prozent der gesamten Kommunikationszeit. Doch auch bei nicht mobil arbeitenden Beschäftigten stieg die Nutzung von Videokonferenzen: Von erst 2,9 Prozent auf jetzt 4,8 Prozent. Wenig Veränderung sehen wir in dieser Gruppe bei der Kommunikation über E-Mail und Telefon.
Dass die Pandemie die Art, wie wir miteinander kommunizieren, verändert, ist jeden Tag spürbar – doch welche Auswirkungen hat diese Veränderung auf unsere Gesundheit?
Wenn Home-Office zur Isolation führt
Das digitale Arbeiten zu Hause und die damit einhergehende räumliche Distanz stellt Beschäftigte vor nie da gewesene Herausforderungen – sowohl in Bezug auf neue Arbeitsprozesse als auch soziale Beziehungen. Werden diese Herausforderungen nicht überwunden, gerät besonders ein Bereich unseres Wohlbefindens in Gefahr: Die Soziale Gesundheit (engl. 'social health'). Dieser bisher wenig erforschte Aspekt der Gesundheit beschreibt die Fähigkeit, mit anderen zu interagieren, sinnvolle Beziehungen zu bilden, aber auch, sich verschiedenen sozialen Situationen anpassen zu können.
Kolleginnen und Kollegen gehören zu den wichtigsten sozialen Kontakten im Leben vieler Beschäftigter. In einer Zeit, in der Videokonferenzen den täglichen persönlichen Kontakt im Kollegium zu großen Teilen abgelöst haben, wird die räumliche Isolation deshalb schnell zur sozialen Abgrenzung: Fast jeder Vierte (23,5 Prozent) der mobil Beschäftigten fühlt sich isoliert, so die Studie social health@work. Bei nicht mobil Beschäftigten ist es jeder Fünfte (19,5 Prozent).
Gemeinsam zu arbeiten und immer auf Unterstützung zählen zu können, macht auch den stressigsten Arbeitstag erträglich. Im Home-Office fühlen sich jedoch 18,3 Prozent der Befragten alleine, ganzen 32,5 Prozent fehlt Gesellschaft. Die Studie gibt ebenfalls einen Hinweis darauf, dass sich diese Problematik mit der Zeit verstärken könnte: Im Vergleich zum Sommer 2020 sank das Zugehörigkeitsgefühl im Team bei mobil Beschäftigten um drei Prozent. Dies ist eine Herausforderung, die es nun durch den dritten Lockdown und der Selbstverpflichtung zum Home-Office noch dringender zu überwinden gilt.
5 Kommunikations-Tipps für das Home-Office
- Die richtige Medienwahl: Mimik und Gestik sind Faktoren, die in der Kommunikation eine wichtige Rolle spielen. Ohne sie kann so manche Nachricht missverstanden werden. Überlegen Sie deshalb ganz bewusst, welches Thema über welches Medium kommuniziert werden kann. Bei unproblematischen Gesprächen reicht es meist, zum Telefonhörer zu greifen oder sogar nur eine E-Mail zu schreiben. Wird es komplizierter oder emotionaler, ist die Videokonferenz die bessere Wahl. Beachten Sie jedoch, dass Mimik und Gestik auch hier eingeschränkt und zum Teil zeitverzögert wirken kann. Für manche Angelegenheiten könnte deshalb ein persönliches Gespräch erforderlich sein.
- Bewusster Medienwechsel: Videokonferenzen können unter Druck setzen. Beim Gespräch fühlen sich Teilnehmer beobachtet und werden unaufhörlich mit ihrem eigenen Spiegelbild konfrontiert. Wo möglich, sollten Sie Gespräche deshalb auch einmal mit dem Telefon führen. Ein weiterer Vorteil: Während eines Telefonats können Sie sich frei bewegen und auch einmal aufstehen. So steigern Sie Ihre Bewegung, die im Home-Office meist zu kurz kommt.
- Gemeinschaftsgefühl fördern: Das Gefühl von Einsamkeit entsteht, wenn Menschen sich einer Gruppe nicht zugehörig fühlen. Egal ob Führungskraft oder betroffener Beschäftigter: Ergreifen Sie die Initiative, binden Sie alle Teammitglieder mit ein und führen Sie regelmäßig Gespräche, die über Berufliches hinausgehen. Möglich sind zum Beispiel gemeinsame virtuelle Mittagsessen oder Online-Spieleabende.
- In Kontakt bleiben: Den Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen zu halten, fällt in der digitalen Welt besonders schwer. Ob zwischen Meetings, zum Start in den Tag oder nach einer anstrengenden Woche, rufen Sie Ihre Lieblingskollegen einfach an. Der private Austausch hilft, ein Stück Normalität zurückzuerlangen.
- Analoge Verschnaufpause: Es gibt Tage, an denen hilft weder ein Videocall noch ein Telefonat gegen das Gefühl von Isolation. Überlegen Sie in solchen Situationen, in welchem Rahmen ein Treffen mit Kolleginnen und Kollegen unter Einhaltung aller nötigen Schutzmaßnahmen möglich wäre – zum Beispiel bei einem Spaziergang oder bei sportlicher Betätigung im Freien.
Zum Autor: Stephan Böhm ist Assoziierter Professor für Diversity Management und Leadership an der Universität St. Gallen und Direktor des Center for Disability and Integration. Aktuell widmet er sich dem Zusammenhang von Digitalisierung, neuen Arbeitsformen und der Gesundheit von Mitarbeitenden. Als Trainer und Consultant ist er für Organisationen aller Branchen tätig, die er zu Fragen des Diversity- und Change-Managements, des Personalmanagements sowie der Mitarbeiterführung berät.
Dieser Beitrag ist ein Original-Post aus dem news aktuell Blog:
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