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BLOGPOST Impuls des Monats: Warum wir den Goldfisch in uns kultivieren sollten

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Verzweiflung ist ein sehr natürlicher Impuls und kann vielfältig ausgelöst werden. Aber vielleicht kann uns Zuversicht manchmal besser helfen? Im Impuls des Monats beleuchtet der Philosoph und Autor Jörg Bernardy die Hoffnung als befreienden Gegenentwurf und findet ein ungewöhnliches Rolemodel in der Figur des Ted Lasso.

Als ich im Januar bei meiner alljährlichen New Year School durch einen Philosophischen Abendsalon führte, geschah etwas Bemerkenswertes. Inmitten einer Diskussion über Mut outete sich eine Person als klimadepressiv. Das heißt, sie denkt mehrmals am Tag an den Untergang der Welt. Sie ist davon überzeugt: Um unsere Zukunft steht es schlecht und konkrete Katastrophen und Folgen des Klimawandels werden sie und ihre Kinder noch am eigenen Leib erleben. Daraufhin outete sich ein Drittel der circa 26 Anwesenden. Auch sie haben regelmäßig ähnliche Gedanken und teilen die tief sitzende Überzeugung, dass das alles kein gutes Ende nehmen wird.

Zwei Minuten vor Mitternacht

„Im Januar 2015 stellte die Zeitschrift Bulletin of Atomic Scientists ihre berühmte Doomsday Clock auf drei Minuten vor zwölf“, schreibt der führende US-amerikanische Intellektuelle und Philosoph Noam Chomsky in seinem Buch ‚Wer beherrscht die Welt?‘. Damals galten noch die wachsende Gefahr eines möglichen Atomkrieges und die Erderwärmung als die zwei entscheidenden Faktoren. Seit 2019 steht diese sogenannte Weltuntergangsuhr (oder auch Atomkriegsuhr genannt) sogar auf zwei Minuten vor Mitternacht. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte seit 1947. Die verantwortlichen Expert*innen führen nun eine dritte tödliche Gefahr für die Menschheit auf, die Schwächung und Aushöhlung der Demokratie.

In seinem eindringlichen Buch ‚Rebellion oder Untergang!‘ weist Noam Chomsky außerdem darauf hin, dass etwa zwei Drittel der US-Amerikaner*innen an die Realität des Klimawandels glauben, was ja einerseits ein Zeichen der Hoffnung sein könnte. Andererseits macht Chomsky darauf aufmerksam, dass für vierzig Prozent der amerikanischen Bevölkerung die Überlebensfrage der Menschheit nur nebensächliche Bedeutung habe, „weil die zweite Wiederkehr des Messias nur eine Frage der Zeit sei und sich dann alles von selbst regeln würde.“

Eine merkwürdige Lust am Weltuntergang

Tatsächlich scheinen die globalen Entwicklungen nicht wenig Anlass für dystopische Gedanken zu geben, was wiederum Pessimismus, Depressionen, Druck und Ängste aller Art auslösen kann. Auch ein Blick nach Deutschland bestätigt dies. Denn auch dort „herrscht seit Jahrzehnten eine merkwürdige Lust an der Apokalypse. Wer hier ein Katastrophenszenario entwirft, hat sofort eine große Anhängerschar“, kritisierte der Ökonom Karl-Heinz Paqué Ende Januar diesen Jahres in einem Wirtschaftswoche-Interview zur Messung von Wohlstand.

Erst im letzten Jahr ist das Kinderbuch ‚Die besten Weltuntergänge' der Autorin Andrea Paluch erschienen, in dem mögliche Szenarien des Weltuntergangs nun auch für Kinder und die ganze Familie entworfen und zur Diskussion gestellt werden. „Es ist doch längst 5 nach 12“, „Wer jetzt noch Kinder in die Welt setzt, ist wirklich egoistisch“ oder „Ich denke, dass auch nach Corona noch einige Katastrophen auf uns zukommen“ - alles Stimmen aus meinem persönlichen Umfeld, die ich nicht selten höre.

„It’s the hope that kills you“

In der englischsprachigen Fußballwelt gibt es die Redewendung „It’s the hope that kills you“. Angesichts der Weltlage könnte man tatsächlich die Hoffnung verlieren. Vielleicht ist es am Ende sogar die Hoffnung, die uns so richtig enttäuschen und verletzen wird, wenn sie unerfüllt bleibt. Aufgeschnappt habe ich diese Redewendung beim Anti-Helden und sympathischen Fußballcoach Ted Lasso, eine Art Forrest Gump in der Fußballwelt der US-amerikanischen Serien.

Kaum eine Comedy-Serie bringt derzeit die Kunst des tragischen Scheiterns auf so charmante, spielerische und überraschend komische Weise zum Ausdruck. Obwohl die Mannschaft permanent verliert und der Londoner Fußballclub absteigt, wird deutlich, dass sich dennoch alle Charaktere weiter entwickeln und dass das kollektive Scheitern überhaupt nichts über das Glück der Einzelnen aussagt. Im Gegenteil, erst unter den Erfahrungen des Scheiterns kommen ihre menschlichen Seiten so richtig zur Entfaltung. Das Prinzip Hoffnung funktioniert allen Misserfolgen und Rückschlägen zum Trotz.

Auf das ‚Prinzip Hoffnung‘ setzen

In einer entscheidenden Ansprache an die Mannschaft räumt Ted Lasso mit der Redewendung „It’s the hope that kills you“ auf. Es sei gerade der Mangel an Hoffnung, der uns umbringe, um danach in typisch amerikanischer Manier die Runde zu fragen: „Glaubt ihr an Wunder?“ Selbstverständlich verliert die Mannschaft das Spiel am nächsten Tag und steigt ab. Dennoch vermittelt die Serie eine Haltung, die wir auch im realen Leben gegenwärtig alle gut gebrauchen können. Die innere Gewissheit, dass es weiter geht, dass wir uns weiter entwickeln werden, auch wenn der gesellschaftliche Erfolg, das private Glück und der Wohlstand der letzten Jahrzehnte möglicherweise abnehmen. Dafür brauchen wir immer wieder die bewusste innere Erfahrung der Freiheit, gar nichts zu müssen.

Die innere Freiheit, nichts zu müssen

Unser Zusammenleben auf dieser Erde ist freiwillig. Wir müssen nichts verändern. Jede Veränderung und jede Weiterentwicklung beruht letztlich auf dieser Freiwilligkeit. Im Bewusstsein dieser inneren Freiheit können wir nach vorne schauen und für kurze Zeit alles Schmerzhafte und vermeintlich Notwendige vergessen. In der philosophischen Tradition spricht man hierbei von der Erfahrung des Erhabenen, ein Zustand, in dem wir unsere eigene Bedeutungslosigkeit als angenehm und befreiend erleben.

Erst diese innere Freiheit verschafft uns wieder Mut und Kraft zum Hoffen. Für Ted Lasso werden wir in diesen seltenen Momenten zu Goldfischen, den glücklichsten Tieren der Welt. Warum? Weil sie das kürzeste Gedächtnis von allen haben und ihr Leben daher jede zehn Sekunden immer wieder von vorne beginnt. Im selben Maße schauen sie auch immer wieder voller Hoffnung nach vorne. Es die Kunst des Neuanfangens, die wir von ihnen lernen können.

„See, I believe in hope. I believe in believe.“

(Ted Lasso, College-Football-Trainer und sympathischer Anti-Held einer US-Comedy-Serie)

Dieser Beitrag ist ein Original-Post aus dem news aktuell Blog:

https://treibstoff.newsaktuell.de/impuls-des-monats-warum-wir-den-goldfisch-in-uns-kultivieren-sollten/

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