3sat-Programmhinweis
Die Welt als Simulation
"Kulturzeit" zeigt vom 2. bis 5. Mai 2000 vier Beiträge zu virtuellen Welten
Mainz (ots)
Wer eine Krankheit vortäuscht, um dem Militärdienst zu entkommen, oder ein Scheingeschäft inszeniert, simuliert. Der Begriff "Simulation" umfasst in der modernen, technologieorientierten Welt von heute wesentlich mehr. Simuliert wird bei der naturwissenschaftlichen Forschung, bei der Pilotenausbildung, bei der Stadtplanung, bei Computerspielen und als generelle Kennzeichnung für das, was die Medien uns täglich ins Haus liefern.
Wer "Simulation" im Internet sucht, begegnet dem Begriff millionenfach. Mit Hilfe technisch erzeugter Bilder wird die Welt, oder was aus ihr werden könnte, immer anschaulicher und beherrschbarer. Inzwischen hat sich der Mensch an die ständig wachsende Zahl von Simulationen gewöhnt. Ihm schwindet das Bewusstsein für die fließend gewordene Grenze zwischen simuliertem Schein und dem, was er als "Realität" dinglich zu begreifen meint.
Vier Tage lang, von Dienstag, 2., bis Freitag, 5. Mai, beschäftigt sich das werktägliche Magazin "Kulturzeit" (19.20 Uhr) mit "Simulation". Rund siebenminütige Beiträge behandeln verschiedene Aspekte des Themas, Studiogespräche und ein spezielles Online-Forum auf den Internet-Seiten der "Kulturzeit"(www.3sat.de/kulturzeit.html) ergänzen die Sonderreihe.
Dienstag, 2. Mai: "Simulation als Kulturleistung"
Wo situieren wir Simulation - außerhalb unserer selbst, oder ist sie Teil jedes praktischen Denkens? Bezeichnet sie jenes geistige Vorwegnehmen, jenes (gedanken-)spielerische "Vorbehandeln", das unseren Verrichtungen Sinn und Richtung verleiht? Sämtliche Kulturgüter, die sich in der Geschichte etabliert haben - ob in Schrift oder Bild - sind Simulationen. Sie repräsentieren nur, sind nicht Realität, sie können wahr oder falsch sein, sie können etwas vorwegnehmen, ersetzen oder auch nur vortäuschen. Simulationen geben Freiraum, sie nehmen Freiheit. Die christliche Religion ist eine Simulation des ersehnten Paradieses und so spiegelt etwa die Hostie, die spirituelle Vervielfältigung des Leibes Christi, auch das Verlangen des Menschen nach Teilhabe an einer virtuellen Welt.
Gast im Studio ist Manfred Geier, der Autor des Buches "Fake. Leben in künstlichen Welten". Im Anschluss an das Gespräch können die Zuschauer im Internet-Forum mit Manfred Geier weiterdiskutieren.
Mittwoch, 3. Mai: "Simulierte Wesen"
Simulierte Lebewesen üben eine seltsame Faszination aus - ob als Primitivhaustiere wie das Tamagotchi, als Monsterfiguren aus dem Labor von Dr. Frankenstein oder als künstliche Computerintelligenz "HAL" im Film "2001". Man bleibt nicht ungerührt, wenn künstliche Lebewesen ein Eigenleben führen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Kunstwesen, wie beispielsweise das virtuelle Pop-Idol Lara Croft, den Medienmarkt bevölkern. Zum ethischen Problem wird Simulation, wenn die Medizin jedem die beliebige Möglichkeit eröffnet, das virtuell simulierte Aussehen und die Intelligenz seiner Nachkommenschaft in die Realität zu implementieren und echte Lebewesen danach zu formen.
Donnerstag, 4. Mai: "Simulation schafft Welt"
Moderne Simulationstechniken, die der Computer möglich gemacht hat, dienen dazu, die Welt besser zu verstehen und zu beherrschen. In der industriellen Produktion sind die Simulationen so ausgereift, dass sie auch die menschliche Arbeitskraft immer mehr simulieren und ersetzen. Vor 30 Jahren hat man das als Humanisierung der Arbeitswelt begrüßt. Heute stehen wir vor Millionen von Arbeitslosen. Elektronengesteuerte Simulation und virtuelle Realität markieren dagegen die Wachstumsbranche der nächsten Jahrzehnte.
Freitag, 5. Mai: "Simulation zerstört Realität"
Der französische Philosoph Jean Baudrillard ist der radikalste Kritiker der Simulation. Für ihn ist alles, was auf dem heimischen Bildschirm zu sehen ist, von jeglicher Realität gesäubert. Das Medium mache keinen Unterschied mehr zwischen Virtualität und Wirklichkeit, alles sehe gleich aus: die Mondlandung, ein Erdbeben in Zentralchina, der Tod in Grosny - die Auslöschung des Realen im Medium ist für ihn das perfekte Verbrechen. Trotzdem wächst die mediale Vermittlungsindustrie unaufhörlich, sie produziert eine eigene Realität, die das Bewusstsein der Wirklichkeit unmerklich untergräbt. Wer fragt noch: Wem nützt das eigentlich?
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