3sat erzählt anders: Godard, Rohmer, Schlöndorf, Thome und österreichische Experimentalfilmer im Rahmen der "European 60s" im Juli bei 3sat im Programm
Mainz (ots)
Österreichische Experimentalfilme: Montag, 1. Juli, 0.20 Uhr, Erstausstrahlungen Godard: "11 Uhr nachts", Montag, 8. Juli, 23.00 Uhr Rohmer: "Die Sammlerin", Montag, 15. Juli, 23.00 Uhr Schlöndorff: "Der junge Törless", Freitag, 19. Juli, 22.30 Uhr Thome: "Detektive", Montag, 29. Juli, 23.10 Uhr
Eine Reihe von individuellen und äußerst unterschiedlichen Arten, im Film Geschichten anders zu erzählen, präsentiert die 3sat-Reihe "European 60s. Kultfilme der Sechziger" im Juli: In den "Österreichischen Experimentalfilmen" wird sichtbar, dass die Filmavantgarde mit ihren Montageexperimenten, vor allem Kurt Kren in seinen Kurzfilmen, einen beschleunigten Umgang mit Bildern, der zur Ästhetik des heutigen Kinos und der Musikvideos gehört, schon vor vierzig Jahren praktizierte. In "Elf Uhr nachts" (Pierrot le fou) folgte der junge Ex-Filmkritiker Jean-Luc Godard seiner Begeisterung für den amerikanischen "Film noir". Doch mit ganz eigener Handschrift zerlegte er seine Geschichte in ironisch reflektierende Fragmente und Zitate und schuf dabei eines der Meisterwerke der französischen "Nouvelle Vague". Ganz anders Eric Rohmer, sein Kritikerkollege von den "Cahiers du Cinéma": Mit einfachen filmischen Mitteln widmete er sich in "Die Sammlerin" der Darstellung emotionaler und erotischer Verhältnisse durch die Sprache. Der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff, der seine Karriere als Regieassistent in Frankreich begonnen hatte, brachte wieder eine andere Art des Erzählens ins bundesdeutsche Kino der 60er Jahre. Robert Musils Roman "Der junge Törless" verfilmte er sowohl mit zeitkritischer Distanz als auch mit psychologischem Einfühlungsvermögen. Rudolf Thomes erster großer Spielfilm "Detektive", in dem Iris Berben ihr Filmdebüt gab, ist wie Godards "Elf Uhr nachts" geprägt vom amerikanischen Genre-Kino. Doch Thome ging es vor allem um Atmosphäre und Lebensgefühl einer Generation. In seiner Geschichte um Macht und Geld lässt er bekannte Kino-Klisches mit der bundesdeutschen Realität Ende der 60er Jahre zusammenprallen.
Österreichische Experimentalfilme
In Relation zu seiner geografischen Größe ist der Beitrag Österreichs zur Geschichte des Avantgardefilms beachtlich. Vier Filme des österreichischen Individualisten Kurt Kren aus den 60er Jahren und "Sonne halt!" von Ferry Radax bilden als Fernseh-Erstausstrahlungen den Auftakt zu dem Thema "anders erzählen" innerhalb der auf zehn Monate angelegten Reihe "European 60s. Kultfilme der Sechziger".
Sonne halt!
Zwei Personen, ein Matrose und ein elegant gekleideter junger Mann, tauchen in einem Küstenort auf. Einer scheint Doppelgänger des anderen zu sein. Sie wissen nichts voneinander, doch ergreift die Seele des Matrosen Besitz vom Körper des Dandys.
Ferry Radax, 1932 in Wien geboren, war Sängerknabe, Jazzpianist, Maler und Fotograf, bevor er sich für das Filmemachen entschied. Sein erster und bekanntester Film, "Sonne halt!", entstand zwischen 1959 und 1962 in enger Zusammenarbeit mit Konrad Bayer, der im Film die Doppelrolle des Seemanns/Dandys übernahm. "Sonne halt!" ist ein experimenteller Film von großer poetischer Intensität und gehört in Europa zu den Klassikern des Genres.
2/60 Köpfe aus dem Szondi-Test
Menschengesichter und Fotografien aus einem Testprogramm für experimentelle Triebdiagnostik gehen ineinander über und formen für das träge Auge des Betrachters ein universales Gesicht. Schon in Kurt Krens zweitem Film äußert sich sein Interesse für das immer Andere im Immergleichen und für ein rhythmisiertes Spiel mit dem Material.
Der 1998 im Alter von 69 Jahren in Wien verstorbene österreichische Filmemacher Kurt Kren gehört neben Peter Kubelka, Ferry Radax und Ernst Schmidt junior zu den Protagonisten einer filmischen Avantgarde der österreichischen Nachkriegszeit. Seine kurzen experimentellen Filme haben die Filmkunst der 60er Jahre entscheidend mitgeprägt. Krens künstlerisch einflussreichste Leistung war die Entwicklung einer Kurzschnitt-Technik, in der dokumentarisch-"normale" Einstellungen ineinander verschachtelt werden. Dieses "Cut-up"-Verfahren, das er zum Beispiel bei den Verfilmungen der Material-Aktionen von Otto Muehl und Günter Brus anwandte, hatte nachhaltigen Einfluss bis in die Werbefilmästhetik.
5/62 Fenstergucker, Abfall, etc.
Großstadt-Voyeure blicken den Zuschauer bei einem Gang durch die Stadtwelt an, zerbrochene Flaschen, hastig gerauchte Zigaretten, Blicke auf Passanten folgen den Bildern des alltäglichen Abfalls. Scheinbare Zufälligkeiten und oft unscharf gefilmte Bedeutungslosigkeiten montiert Kurt Kren mit Hilfe der von ihm entwickelten Kurzschnitt-Technik.
10/65 Selbstverstümmelung
"Selbstverstümmelung" ist die filmische Auflösung einer legendären, nur für die Kamera veranstalteten Aktion von Günter Brus: liebevolle, fast bedächtige, melancholische Blicke auf verletzte Körper und Seelen.
23/69 Underground Explosion
Kren filmte Auftritte der Popgruppe Amon Düül während eines Underground-Festivals und montierte die Sequenzen in seinem bekannten "Cut-up"-Verfahren. Kren drehte die Aufnahmen "aus der Hüfte", was im Zusammenspiel mit der Musik einen sehr authentischen Eindruck vermittelt.
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