PHOENIX PROGRAMMHINWEIS/ Sonntag, 12. November 2000
Bonn (ots)
Glauben und Leben 9.00 Uhr Auf neuen Wegen Ein Haus mit offenen Türen - Der Pfarrer von Glindow
Im Pfarrhaus von Glindow geht es zu wie in einem Taubenschlag. Das Handy piept, an der Tür hobelt der Zivi, die Kinderkantorin singt im Gemeinderaum, die Sozialhelferin steckt dem Pfarrer ein Papier zu, und im Keller treffen sich die Kids. Der evangelische Pfarrer Johannes Albrecht ist ein handfester, bodenständiger Mann, zu dem alle Vertrauen haben: Mike, der im Knast angefangen hat zu malen, Denis im Rollstuhl, der beim Pfarrer Buchhalter ist, Fau Matthes, ehemals alkoholabhängig und seit 5 Monaten "trocken", die in der Gemeindeküche kocht. Menschengeschichten, Geschichten vom Glauben - an sich selbst und an Gott. Seit Pfarrer Albrecht hier ist, gibt es wieder mehr Taufen und Konfirmationen. Der Film ist entstanden zwischen Ostern und Pfingsten, im Frühling in Glindow.
Film von Günter Jordan
Mein Ausland 18.00 Uhr Arme, reiche Philippinen
Die Philippinen sind mehr als Geiselnehmer, Verhandlungsführer und Rebellen -Camps: Nachdem die Nachrichten aus Jolo monatelang das Bild des Inselstaates geprägt haben - ob nun zu Recht oder nicht - , zeigt ARD-Korrespondent Klaus Scherer in eindrucksvollen Reportagen, wie vielfältig und widersprüchlich das Leben der Philippinos jenseits des Geiseldramas war und ist. Scherer begleitet einen ehemaligen Gangsterboss, der aus der früheren Strafkolonie Palawan ein Paradies gemacht hat. Er besucht die atemberaubenden Reisterrassen-Landschaften von Palawan und die Bergbauern, die sie vor dem Verfall retten wollen. Er zeigt erstmals vor der Kamera illegale Giftfischer, steigt mit übergewichtigen Polizisten auf den Pinatubo, porträtiert einen Modeschöpfer in Manilas High Society und eine junge Sängerin , deren Karriere mit einem Mord begann - damals, als sie noch Hausmädchen war und der Hausherr ihr das Leben zur Hölle machte. Es sind Geschichten eines nicht nur landschaftlich reichen Landes, in dem noch immer zu viele unterhalb der Armutsgrenze leben müssen.
Film von Klaus Scherer, ARD-Studio Tokio
18.45 Uhr Die baltischen Staaten Estland
Die mittelalterliche Hauptstadt Estlands ist seit dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion wieder eine blühende Handelsstadt geworden. Handys und Computer gehören zum Handwerkszeug der jungen Generation, die Estlands Wirtschaft heute dominiert. Sie lernen fleißig Englisch und versuchen, per Internet Anschluss an den westeuropäischen Markt zu erlangen. Das gilt für Tönis Allik, den Chef einer traditionsreichen Schokoladenfabrik ebenso wie für Ilona Gurjanova, Inhaberin eines Büros für Werbung und Marketing. Wirtschaftlich hat Estland einen einmaligen Aufschwung erlebt und gilt als Musterland unter den Bewerbern für die EU-Mitgliedschaft. Aber die Esten lieben und pflegen auch ihre Tradition, die das Rückgrat ihres Kampfes für die Unabhängigkeit darstellte. Das Sängerfest ist für 300000 Menschen der Höhepunkt des Jahres. Selbst Delegationen aus Narva, einer russischen Enklave an der Ostgrenze des Landes, sind dabei. Lena Ivanova und ihre erwachsenen Söhne sind zwar in Estland geboren, aber die Chance auf einen estnischen Pass haben sie aufgegeben. In ihrer Umgebung sprechen alle russisch, wie sollen sie da die Sprachprüfung für die estnische Staatsbürgerschaft bestehen? Die Integration der russischen Minderheit ist eine Aufgabe, die noch zu lösen ist.
Dokumentation von Andrea Reischies (2000)
Mitten in Europa 19.15 Uhr Schottland - Islands und Highlands
Seit dem 19. Jahrhundert, als viele Bildungsreisende Schottland für sich entdeckten, hat die Begeisterung für die Region im Norden von Großbritannien nicht nachgelassen. Die wildromantische Landschaft mit ihrer grandiosen Bergwelt und den verwunschenen Seen gehört dabei ebenso zum Schottland-Bild wie Dudelsack, Schottenrock und Whisky, einsame Schlösser, wuschlige Hochlandrinder und baumstammwerfende Männer. Vorstellungen, die auch bei dieser Reise Wirklichkeit werden. Sie beginnt in Glasgow, der Stadt des Jugendstilkünstlers Charles Rennie Macintosh, führt am Caledonian Canal entlang über die "Road to the Isles" durch die Northwest Highlands. Von dort geht es zu den Hebrideninseln Skye, Harris und Lewis
Dokumentation von Ute Werner
20.15 Uhr Holokaust 6-teilige Reihe 5. Teil: Widerstand
Die Bilder vom 21. August 1942 kann der Wiener Hubert Pfoch nie mehr vergessen. Als Soldat der deutschen Wehrmacht beobachtete er damals im polnischen Siedlce, wie SS-Männer jüdische Familien in Viehwaggons trieben. Seine heimlich aufgenommenen Fotos belegen die unglaubliche Brutalität der SS. Zu dieser Zeit begann das Geheimnis der Mordfabriken durchzusickern. Und damit keimte Widerstand. Während zur gleichen Zeit vor allem aus Griechenland Zug um Zug ahnungslose Familien nach Auschwitz fuhren - im Glauben an eine Fahrt ins Arbeitslager - bewaffneten sich polnische Juden in Warschau, um ihr Leben bis zum Tode zu verteidigen. Im Ghetto waren sie trotz aller Gerüchte noch immer eine Minderheit. "Die Menschen wollten es einfach nicht glauben", erinnert sich Marek Edelmann, einer der Anführer des Aufstandes. Erst als die endgültige "Räumung" des Ghettos im April 1943 befohlen wurde, erhoben sich die Opfer. Sie kämpften mit dem Mut der Verzweiflung und zwangen die SS, täglich mehr Verstärkung und schwere Waffen herbei zu rufen. Drei Wochen dauerte die ungleiche Schlacht. Am Ende blieb vom ehemaligen Ghetto nur ein rauchendes Trümmerfeld. Die Waffen der Täter hatten gesiegt - wie bei allen anderen Aufständen in den Ghettos und Lagern, in Sobibor oder Treblinka. Doch die Botschaft der Opfer, sich nicht wie "Lämmer zur Schlachtbank" führen zu lassen, hat überdauert.
Die Auseinandersetzung mit dem Widerstand gegen den Holokaust wirft die bohrende Frage auf, warum es angesichts der Ungeheuerlichkeit des Verbrechens in Deutschland nur so wenig Protest gab. Die Flugblätter der mutigen Münchner Studenten um Hans und Sophie Scholl waren eine der seltenen Ausnahmen. Zu breitem, öffentlichen Widerstand kam es nur ein einziges Mal. Als im Februar 1943 die letzten Berliner Juden deportiert wurden, protestierten deren nicht-jüdische Angehörige tagelang vor dem Sammellager in der Rosenstraße und zwangen das Regime, 1500 Frauen und Männer aus sogenannten "Mischehen" wieder frei zu lassen. Der "Aufstand des Herzens" hatte Erfolg. Ebenso wie manch stille Form der Gegenwehr. Besonders die mutigen Frauen und Männer, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens jüdische Mitbürger retteten, verdienen es, der Vergessenheit entrissen zu werden: von den Geheimdienstlern des Admirals Canaris, die Juden als vorgebliche Agenten in die Schweiz schleusten, bis hin zu all jenen, die für die mehr als 6000 untergetauchten Berliner Juden Lebensmittelmarken und Verstecke besorgten.
"Wer nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt" - die Weisheit aus dem Talmud gilt nicht nur für Oskar Schindler. 20. August 1944: Voller Hoffnung blicken die Häftlinge in den Himmel über Auschwitz. Von Süden her ist tiefes Brummen zu hören - Maschinen des 15. US-Bombergeschwaders. Doch wieder fallen die Bomben woanders, diesmal auf die Treibstofffabriken von Monowitz, nur acht Kilometer vom Todeslager entfernt. "Ich kann einfach nicht begreifen, warum man uns nicht geholfen hat", klagt Ex-Häftling Andras Lorenczi. Er und viele seiner Leidensgefährten wünschten kaum etwas mehr, als von den Amerikanern bombardiert zu werden. Bomben auf Auschwitz? Die Zerstörung des Tatorts als Widerstand gegen die Tat? Die fünfte Folge von "Holokaust" geht auch der Frage nach, warum die Alliierten trotz vieler Aufforderungen nie ein Vernichtungslager bombardiert haben.
Dokumentation von Maurice Philip Remy in Zusammenarbeit mit Christian Deick und Franz Fleischmann (2000)
Fotos über www.ard-foto.de
21.00 Uhr Diskussion zur fünften Folge
Über den Widerstand gegen die Judenvernichtung im Dritten Reich diskutiert Guido Knopp mit Arno Lustiger, Zeitzeuge und Experte des Jüdischen Widerstands, Ralph Giordano, Zeitzeuge und Publizist, Wolfgang Benz vom Zentrum für Antisemitismusforschung und dem Politologen Michael Wolffsohn.
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