ASB mahnt: Pflegeversicherung muss grundlegend reformiert werden
Vorschläge von langjährigen Praktikern sollten beim Gesetzgeber Gehör finden
Dresden (ots)
"Fehlentwicklungen und Mängel, die der ASB bei der zurzeit heftig diskutierten Reform der Pflegeversicherung festgestellt hat, müssen berücksichtigt werden", fordert der ASB-Bundesvorsitzende Fritz Tepperwien auf der ASB-Pressekonferenz zur Zukunft der Pflegeversicherung in Dresden. "Es muss ein Finanzierungsmodell her, das eine qualitativ hochwertige Pflege langfristig sichert", so Tepperwien weiter.
Der Arbeiter-Samariter-Bund hat in seinen über 400 Diensten und Einrichtungen acht Jahre lang die Entwicklungen durch die Pflegeversicherung mitverfolgen können. Trotz einer grundsätzlich positiven Bewertung der Pflegeversicherung sieht er grundlegenden Reformbedarf auf mehreren Ebenen:
1. Sicherung der Finanzierung:
Ein zukünftiges Finanzierungsmodell muss nachhaltig, wirkungsvoll und störungsresistent angelegt sein. Damit dies gelingt, sollte die Sicherung der Pflege über die reine Lohn- und arbeitsbezogene Finanzierung erweitert werden. Denkbar wäre die Einbeziehung von Miet- und Kapitaleinkünften oder die Abschaffung der privaten Pflegeversicherung, also die Einbeziehung aller in die gesetzliche Pflegeversicherung als Solidargemeinschaft.
Die Eigenbeteiligung der Betroffenen sollte stärker betont und klarer definiert werden. In Fällen sozialer Härten sollten die Träger der Sozialhilfe wie bisher einspringen.
Statt "Pflegeversicherung" sollte es zukünftig "Pflegeunterstützung" heißen. Damit würde deutlich, dass keine Rundum-Versorgung erwartet werden kann.
2. Klare Rahmenbedingungen und Abbau von Bürokratie
Die pflegerische Kontrolle (Heimaufsicht, Medizinische Dienste der Krankenkassen) sollte in einer Hand gebündelt werden. Dadurch könnte überflüssige Bürokratie und damit unnötiger Aufwand vermieden werden. Gegenwärtig ist das System von zeitaufwändigen Überregulierungen und Kontrollen (Qualitätsprüfungen, Leistungs- und Qualitätsnachweise, Qualifikationsanforderungen) dominiert. Sie könnten minimiert werden, in dem die verbandsinternen Qualitätskontrollen weitgehend anerkannt und der Stellenwert der internen Qualitätssicherung gestärkt würde.
Für die Wiederherstellung von Planungssicherheit und -kontinuität müssten konstante Rahmenbedingungen hergestellt werden. Die ständigen Gesetzesänderungen und die unübersehbare Flut von Regelungen und Verordnungen haben in den Pflegediensten und -einrichtungen zu großem Arbeitsmehraufwand geführt.
Es muss geklärt werden, wer für welche Leistungen aufkommt: Ist es die Pflegeversicherung, ist es die Krankenversicherung oder für welche Leistung muss der Betroffene selbst aufkommen? Es kann nicht sein, dass es aufgrund von unklaren Regelungen ständig zu langwierigen und kostspieligen Klärungsprozessen zwischen den Kostenträgern kommt.
3. Umfassende Versorgung
Der Pflegebegriff muss den ganzen Menschen umfassen. Das muss sich auch im Leistungsumfang der Pflegeversicherung widerspiegeln. Im Moment gehen viele Hilfsbedürftige z.B. Menschen mit Demenz bei der Einstufung leer aus. Individuelle Wünsche älterer Menschen, z.B. das kleine Schwätzchen beim Tee, der Spaziergang im Garten, der Besuch des Friedhofs oder die vielen kleinen organisatorischen Dinge (Briefe einwerfen, Medikamente besorgen, Mülleimer leeren) werden nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Leistungen der Pflegeversicherung müssen durch ergänzende Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung weiter flankiert werden. Maßnahmen der geriatrischen ambulanten Rehabilitation beispielsweise werden nicht oder nicht in ausreichendem Maße finanziert.
Auch die weitere Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauern im Krankenhaus aufgrund der Einführung der diagnoseorientierten Fallpauschalen führt vermutlich zu einer Lücke in der pflegerischen Versorgung. Wenn zukünftig z.B. ältere allein lebende Menschen nach einem Oberschenkelhalsbruch frühzeitig nach Hause entlassen werden, benötigen sie verstärkt Pflege und hauswirtschaftliche Hilfe durch ambulante Pflegedienste. Die Finanzierung des zusätzlichen Versorgungsbedarfs ist jedoch noch nicht geregelt.
4. Förderung des Wettbewerbs und Dynamisierung der Leistungsbeträge
Die Preisgestaltung sollte weitgehend frei sein. Ein Wettbewerb ist nur möglich, wenn sich strukturelle Unterschiede und differenzierte Leistungsniveaus dort widerspiegeln können. Bis jetzt ist ein Wettbewerb zwischen den Pflegeanbietern durch ein individuelles Angebotsprofil aufgrund des starren Leistungskatalogs nicht möglich.
Die Leistungsbeträge müssen regelmäßig überprüft und der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst werden. Da die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung seit 1995 nicht mehr angehoben wurden, hat es faktisch einen kontinuierlichen Abbau des Leistungsanspruchs gegeben.
Der ASB fordert die Politik, die Rürup-Kommission sowie die Gremien und Institutionen, die sich mit der Reformierung des Gesundheitssystems beschäftigen, auf, die hier vorgestellten Vorschläge einer Organisation, die seit Jahren praktische Erfahrungen mit der Pflegeversicherung und ihren Auswirkungen macht, bei der Neugestaltung des Systems zu berücksichtigen.
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ASB-Pressestelle, Tel. 0221/47605-296, -233, Fax: -297 ASB im Internet: http://www.asb-online.de
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