Ostsee-Zeitung: Der lange Schatten - Kommentar zu Steinbachs Verzicht
Rostock (ots)
Wenn etwas besonders lange Schatten wirft, dann ist es die Geschichte. Hitler und Holocaust, Auschwitz und Totenkopf-SS, Reichskristallnacht und Kommissarbefehl - das sind nur einige Namen und Begriffe, die sich in die Köpfe ganzer Völker eingebrannt haben. Die mit ihnen verbundene Schuld wird sich nicht verwachsen, sie wird bleiben. Für Grautöne bleibt da wenig Raum. Ein Raum, in dem sich auch Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach bewegen muss, misstrauisch beäugt von den Nachbarn jenseits der Oder und des Erzgebirges.
Gestern machte diese Frau einen für sie schweren, vor allem für das deutsch-polnische Verhältnis aber hoffnungsvollen Schritt. Indem sie auf einen Sitz im Rat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" verzichtete, machte sie den Weg für dieses großartige Projekt frei. Inwiefern sie dazu von der Bundesregierung gedrängt wurde, mag ihr Geheimnis bleiben. Unübersehbar war indes, dass Steinbach für Warschau eine Reizfigur, für einige Polen gar Projektionsfläche antideutscher Ressentiments war. Der Protest war so laut, dass Steinbachs Engagement für die neue Stiftung sowie der faktische Rausschmiss der chauvinistischen "Preußischen Treuhand" aus dem Vertriebenen-Bund im nationalen Aufschrei untergingen. So bleibt die bittere Erkenntnis, wie emotionsgeladen das deutsch-polnische Verhältnis noch immer ist. So lange wir nicht lernen, Empfindlichkeiten zu respektieren, wird es anfällig und brüchig bleiben.
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