Ostsee-Zeitung: Kommentar zu Ägypten
Rostock (ots)
Die Muslimbrüder schicken sich an, die Gegenwart am Nil stärker denn je zu beeinflussen. Ableger dieser ältesten Islamistenorganisation in Nahost stellen nach der ersten freien Wahl seit 1952 die große Mehrheit im ägyptischen Parlament - und seit Sonntag gar den Präsidenten. Mohammed Mursi hat die jüngste Stichwahl gewonnen, soll am Sonnabend das Amt antreten. Muslimbruder Mursi gilt als eher gemäßigt, seine von den Muslimbrüdern gebildete Partei für Freiheit und Gerechtigkeit plädiert für Demokratie, Pluralismus gar, aber auch für den Islam als Grundsatz-Programm im politischen, gesellschaftlichen wie auch persönlichen Leben. Mit dem Wahlsieg der ägyptischen Islamisten wird vor allem in der westlichen Welt befürchtet, es gebe ein Rollback der Moderne. Dabei ist weit weniger vom Zurück ins Mittelalter zu sprechen als vom Patt am Nil. Schließlich hat fast jeder zweite Ägypter in der Stichwahl für den Luftwaffengeneral Ahmed Schafik gestimmt, der vom Hohen Militärrat aufgestellt worden war, der seit Mubaraks Sturz die Zügel der Macht in Händen hält. Zudem spricht der knappe Wahlausgang für das Argument, dass die Ägypter zwar die Militärdiktatur satt haben, aber noch lange nicht eine Theokratie nach Art des Iran wünschen. Sie wollen endlich Ruhe, Arbeit, besser leben. Dennoch bleibt die Zukunft für die 80 Millionen Menschen im führenden Land der arabischen Welt ungewiss. Nicht zuletzt, weil der Militärrat von der Macht nicht lassen will.
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