Ostsee-Zeitung: Kommentar zum Atom-Abkommen mit Iran
Rostock (ots)
Ein iranisches Sprichwort sagt, dass zwei Dinge Merkmale der Dummheit sind: schweigen, wenn man reden soll - und reden, wenn man schweigen soll. Die USA und der Iran haben dies endlich verstanden. Nach 34 Jahren Funkstille auf höchster Ebene hatten die Präsidenten beider Länder, Barack Obama und Hassan Ruhani, miteinander telefoniert und den Grundstein für den nun vorliegenden Atomvertrag gelegt. Zugleich bissen sie sich auf die Zunge, wenn es um Maximalforderungen ging, die von Hardlinern auf beiden Seiten immer wieder aufgewärmt wurden. Teheran weitete nach Ruhanis Amtsantritt im August seine Urananreicherung nicht aus, Amerika deutete indes ein Einlenken bei den Sanktionen an. Jetzt - dreieinhalb Monate später - liegt das historische Abkommen vor, das die Kriegstrommeln im Mittleren Osten langsam verstummen lassen könnte. Der Iran legt Teile seines Atomprogramms auf Eis, ohne aufs Recht der friedlichen Kernkraft-Nutzung zu verzichten. Im Gegenzug werden einige Sanktionen gelockert. Sicher, der Boykott-Schwitzkasten hat dem Mullah-Regime die Luft abgewürgt: Die Landeswährung Rial sackte in den Keller, die Wirtschaft brach im letzten Jahr um fünf Prozent ein. Andererseits gelang es dem Westen nicht, den Iran vom globalen Ölhandel abzuschneiden. Vielmehr hatte Obama - gerade nach den Syrien-Erfahrungen - genug von "roten Linien" und "Zeitfenstern", die ihn in einen Kreislauf schwer beherrschbarer Handlungszwänge bugsierten. Seine Regierung befürchtete sogar, dass eine Verschärfung der Sanktionen die Hardliner in Teheran erneut stärken könnte. Ein politischer Automatismus, der die hoch verschuldeten USA direkt in einen neuen, unwägbaren Krieg geschickt hätte, wäre die Folge gewesen. Israel und Saudi-Arabien hätten zwar applaudiert, doch Amerika wäre Gefahr gelaufen, dass sich sein Machtverlust in der Region beschleunigt hätte. Die geostrategischen Gewinner hießen Russland und China. Jetzt liegt ein pragmatischer Kompromiss vor, der beiden die Chance lässt, sich als Sieger darzustellen. Obama wie Ruhani wissen, dass die Hälfte manchmal mehr als das Ganze ist.
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