Ostsee-Zeitung: OSTSEE-ZEITUNG Rostock zu "Gauck und die Diätenerhöhung"
Rostock (ots)
Hoppla! Da verzögert der Bundespräsident plötzlich ein im Bundestag beschlossenes Gesetz, was selten genug ist - und dann auch noch gleich das zur Diätenerhöhung. Dabei war doch von den Damen und Herren der Großen Koalition alles so schön geplant: Ab Juli soll's mal wieder mehr Geld für die 631 Bundestagsabgeordneten geben. Nein, nicht um rund 20 Euro wie für die meisten Rentner. 415 Euro sollen es sein. Und ab Januar nochmal soviel. Dann sind's 9082 Euro monatlich! Das wären rund zehn Prozent mehr in nur sechs Monaten. Mit Schmalkost hat Politiker-Diät also nicht wirklich was zu tun. Von daher möchte man Joachim Gauck auf die Schulter klopfen und ihn für sein Innehalten gratulieren. Schließlich sollte es der menschliche Anstand gebieten, dass in Zeiten, in denen das Rentenniveau kontinuierlich sinkt und die Reallöhne nur minimal steigen, auch die eigenen Privilegien infrage zu stellen. Doch wer soviel Altruismus hinter Gaucks Stoppzeichen vermutet, könnte sich gewaltig irren. Wie es heißt, hegt das Präsidialamt verfassungsrechtliche Zweifel vor allem gegen die Regelung, dass die Abgeordneten-Diäten ab 2016 automatisch an die Entwicklung der Bruttolöhne gekoppelt werden sollen. Einen Automatismus dürfe es keinesfalls geben, ein öffentlicher Beschluss im Parlament sei unabdingbar. Dabei wäre die Kopplung der Diäten an die allgemeine Lohnentwicklung ein hervorragender Weg, um das "Raumschiff Bundestag" zur Landung auf dem Boden der Realitäten zu zwingen. Das Interesse der Abgeordneten an höheren Löhnen könnte steigen und der völlig unangemessene Maßstab eines Bundesrichter-Gehalts wäre über Bord geworfen. Denn im Gegensatz zu den Parlamentariern dürfen die hohen Juristen weder lukrativen Nebentätigkeiten nachgehen noch kassieren sie eine steuerfreie Kostenpauschale von gut 4200 Euro im Monat. Keine Frage: Abgeordnete müssen gut bezahlt werden. Aber zuweilen müssen sie auch vor sich selbst geschützt werden - vor der Versuchung, sich selbst überhöhte Bezüge zu genehmigen. Gauck sollte daher die Diätenreform abwinken. Oder eine Grundsatzrede über Maß und Maßlosigkeit in der Politik halten.
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