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Landeszeitung Lüneburg: ,,Es wird keinen fundamentalen Umbruch in Südafrika geben" - Interview mit Sonwabo Eddie Funde, Südafrikas Botschafter in Deutschland.

Lüneburg (ots)

Ein Machtkampf in der Regierungspartei ANC
erschüttert Südafrika: Präsident Thabo Mbeki wurde zum Rücktritt 
gezwungen, elf Minister folgten aus Loyalität. Ob die Ernennung von 
Kgalema Motlanthe zum Übergangspräsidenten die Krise beendet, ist 
fraglich. Beobachter sehen unruhige Zeiten auf Südafrika zukommen. 
Südafrikas Botschafter in Deutschland, Sonwabo Eddie Funde, beruhigt:
Das sei ein normaler Machtwechsel, ein radikaler Umbruch steht nicht 
an.
Beim Johannesburg-Gipfel für nachhaltige Entwicklung von 2002 
sollten Umwelt- und Entwicklungspolitik verknüpft werden. Ist das 
gelungen?
Sonwabo Eddie Funde: Wir sind nicht sicher, ob die Entwicklungshilfe 
seitdem wirklich in einer Weise vergeben wird, dass damit zugleich 
Umweltprobleme angegangen werden. Doch schon bei der traditionellen 
Entwicklungshilfe profitierten beide Seiten. Das große Problem der 
Entwicklungshilfe blieb aber bestehen: Den Schwellenländern fehlt das
Geld, um die eigenen Industrien zu entwi"ckeln. Bisher beschränkt 
sich ihr Zugang zum Markt darauf, unverarbeitete Rohstoffe wie Öl, 
Kohle aber auch Nahrungsmittel zu exportieren, die dann in den 
Indus"trieländern veredelt werden. Könnten die Entwicklungs- und 
Schwellenländer Halb- oder Fertigprodukte liefern, wäre das 
Verhältnis ausbalancierter. Nur dies würde das Denken durchbrechen: 
"Wir helfen den anderen, weil sie bedürftig sind". Nur dies würde auf
lange Sicht eine gleichberechtigte Partnerschaft ermöglichen.
Sind die Märkte der EU überhaupt offen für südafrikanische 
Fertigprodukte?
Funde: Es gibt noch immer sehr viele Beschränkungen. Das können Sie 
auch daran sehen, dass die Diskussion über die Marktöffnung nach dem 
Abbruch der Doha-Welthandelsgespräche weitergeht. Europa schottet 
seine Märkte stark ab, nicht zuletzt über eine umfangreiche 
Subventionierung vor allem von Agrarprodukten. Ohne fairen Zugang ist
es für südafrikanische Anbieter aber sehr schwer, hier Fuß zu fassen.
Das ist einer der Gründe, warum die Botschaft Partnerschaftsprojekte 
wie das zwischen Eastern Cape und Niedersachsen unterstützt. Hier 
soll nicht Nahrung oder Geld verteilt werden, sondern es werden 
Erfahrungen vermittelt, wie die landwirtschaftliche Produktion 
verbessert werden kann. So wird die besonders benachteiligte Region 
Eas"tern Cape in die Lage versetzt, seine Bewohner zu ernähren und 
Überschüsse zu produzieren, mit denen Märkte erschlossen werden 
können. In der Folge entstehen Jobs, die Armut wird wirklich effektiv
bekämpft.
Befürchten Sie, dass die globale Finanzkrise die globale 
Armutskrise in den Hintergrund drängt?
Funde: Zunächst mal wird auch die Börse in Johannesburg von den 
Turbulenzen erfasst. Aber Entwicklungs- und Schwellenländer leben -- 
was die Finanzströme angeht -- beinahe in einer eigenen Welt. Die 
direkten Auswirkungen sind hier nicht so groß. Dennoch wächst die 
Sorge, dass sich die Industrieländer derzeit vor allem auf ihr 
eigenes Finanzde"sas"ter konzentrieren und darüber die gewichtigeren 
Probleme der Armut und des Hungers vergessen werden. Es ist sehr 
beeindruckend, wieviel Geld in der Krise vernichtet wurde, aber vor 
allem, welche astronomischen Summen aufgewendet werden, um Banken zu 
retten, die nur durch Missmanagement strauchelten. Würde man den 
Schwellenländern 700 Milliarden Dollar überweisen, könnte man die 
Armut in kürzester Zeit eliminieren.
Hunger, Aids, Wasserknappheit sind die drängendsten Probleme 
Afrikas. Welche Leistungen muss Afrika selbst erbringen, um sie zu 
lösen?
Funde: Seit zehn Jahren verfolgt Afrika das Ziel einer "afrikanischen
Renaissance", indem es daran geht, seine eigenen Probleme selbst zu 
lösen. Es entstand die Afrikanische Union (AU), die das NEPAD-Projekt
ins Leben rief, also die ,,Neue Partnerschaft für Afrikas 
Entwicklung". NEPAD bündelt eine ganze Reihe von Vorhaben, von der 
Weiterentwicklung von Bildung, Technologie und Infrastruktur bis zur 
Bekämpfung von Aids und Armut. Afrika ist es gelungen, sich auf den 
G-8-Gipfeltreffen als fester Partner zu etablieren und seine Anliegen
vorzubringen. Die AU löste erfolgreich Schlüsselprobleme des 
Kontinents, indem sie Kriege und Bürgerkriege im Kongo, in Burundi, 
in Mosambique und der Elfenbeinküste befriedete. Frieden ist die 
Grundlage für Entwicklung. Zudem erkennt die AU undemokratische 
Regime nicht an, strebt vielmehr deren Ersetzung durch demokratisch 
legitimierte Regierungen an. Das einzige Problem, das Afrika nicht 
lösen kann, ist der Mangel an Kapital, um die Wirtschaftskraft zu 
erhöhen.
Simbabwe galt als afrikanischer Musterstaat, strauchelt aber unter
Mugabe. Kann Südafrika "Good Governance" im Nachbarstaat durchsetzen?
Funde: Die Entwicklung Simbabwes bereitet Sorge, ist aber zugleich 
das jüngste Beispiel dafür, was Afrika leistet, um seine Probleme zu 
lösen. Sowohl die aus 14 Staaten bestehende Südafrikanische 
Entwicklungsgemeinschaft (SADC) und die AU haben Einfluss genommen. 
Südafrikas Ex-Präsident Thabo Mbeki hat erfolgreich zwischen 
Regierung und Opposition in Simbabwe vermittelt. Während wir hier 
sprechen, feilen die Simbabwer an einer Regierung der nationalen 
Einheit. Wir denken, dass die Entwicklung in unserem Nachbarstaat in 
die richtige Richtung geht. Sollte sich diese Haltung in Afrika 
durchsetzen, wird es auch aufwärts gehen. An diesem Punkt können die 
Industrieländer uns unterstützen. Dabei sind wir nicht so sehr an 
Hilfe interessiert, sondern an einem fairen Handel und an 
Investitionen in unseren Ländern.
Im Westen besteht Sorge, dass der Sturz von Präsident Mbeki das 
Land destabilisieren könnte. Kommt der ANC nun zur Ruhe oder spaltet 
er sich?
Funde: Wir hoffen, dass die geregelte und friedliche Art und Weise, 
in der Präsident Mbeki sein Amt niederlegte, mögliche interne 
Probleme des ANC lösen wird. Thabo Mbeki hat bereits angekündigt, 
auch weiterhin loyal zum ANC zu stehen. Würde er seine Anhänger um 
sich scharen und eine eigene Partei gründen, gäbe es ein Problem.
Verstärkt der Massenrücktritt von elf Ministern aus Loyalität zu 
Thabo Mbeki die Gefahr der Spaltung das ANC? Funde: Ich erwarte 
dennoch, dass auch diese Minister weiter zur Sache des ANC stehen. Es
schafft natürlich ein weiteres Problem, jetzt -- nur sechs Monate vor
den geplanten Wahlen -- nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern 
auch noch elf neue Minister präsentieren zu müssen. Solange ein 
solcher Machtwechsel friedlich bleibt, muss man ihn in einer offenen 
Demokratie wie unserer akzeptieren. Das heißt aber nicht, dass sich 
Südafrika in einer Krise befindet.
Unter Mbeki war die Wirtschaft Südafrikas sehr liberal 
ausgerichtet. Wird sie künftig stärker staatlich gelenkt?
Funde: Es wird keinen fundamentalen Wandel geben. Niemand der 
politischen Führungskräfte spricht von Verstaatlichung oder 
Ähnlichem. Aber auch in einer Marktwirtschaft muss der Staat 
intervenieren -- etwa, um die Benachteiligten zu schützen, und das 
geschah auch unter Präsident Mbeki. So hat er das Wohlfahrtssystem 
gestärkt, Kindergeld eingeführt und dafür gesorgt, dass ärmere 
Regionen elektrifiziert sowie mit sauberem Trinkwasser versorgt 
wurden. ANC-Präsident Jacob Zuma hat mehrfach betont, an der 
Wirtschaftspolitik festhalten zu wollen. Das Entwicklungsgefälle in 
Südafrika selbst ist keine Folge der Politik Mbekis, sondern des 
Apartheid-Regimes.
Jacob Zuma ist Zulu. Drohen Konflikte mit den Xhosa?
Funde: Nein. Diese Ängste sind total unbegründet. Viele der Anhänger 
Zumas sind keine Zulus. Südafrika hat die Rassenfrage hinter sich 
gelassen. Es wird sich nicht in Konflikten zwischen den Stämmen 
verzetteln. Das Hauptproblem Südafrikas, auf das sich das Interesse 
aller richtet, ist die soziale und wirtschaftliche Entwicklung.
Das Interview führte Joachim Zießler

Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de

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