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Landeszeitung Lüneburg: ,,Klimawende ist das Gebot der Stunde" -- Interview mit dem B.A.U.M.-Mitbegründer und Umweltberater Prof. Dr. Maximilian Gege

Lüneburg (ots)

Während auf dem EU-Gipfel eine Verwässerung der
Klimaschutzziele droht und die UN-Klimakonferenz wegen des Fehlens 
einer handlungsfähigen US-Delegation auf der Stelle tritt, wirbt der 
Umweltberater Prof. Dr. Maximilian Gege, B.A.U.M.-Mitbegründer, für 
sein Konzept eines ökologischen Wirtschaftswunders. 
Bundestagsabgeordneten, Bürgermeistern und Industriekapitänen stellt 
er seine Vision vor: Ein Zukunftsfonds, der fünf Prozent Zinsen auf 
Einlagen garantiert und Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen 
finanziert. Die Hälfte der eingesparten Energiekosten fließt zurück 
in den Fonds. Prof. Gege: "Die Zeit ist reif für eine umfassende 
Strategie."
Sind wir schon unterwegs zu einem ökologischen Wirtschaftswunder 
oder müssen wir uns erst auf den Weg machen?
Prof. Maximilian Gege: Wir sind noch nicht richtig gestartet, also 
müssen wir uns auf den Weg machen. Bedenkt man, dass in der 
Finanzkrise 16000 Milliarden Euro versenkt wurden, wird klar, welches
Kapital uns zur Verfügung gestanden hat. Ein Bruchteil davon hätte 
für ein ökologisches Wirtschaftswunder gereicht, nach meinen 
Berechnungen 200 bis 300 Milliarden Euro.
Viele Politiker wollen wegen der Wirtschaftskrise die Ökoauflagen 
für Autokonzerne kippen, beim EU-Gipfel droht die Aufweichung der 
Klimaziele. Sind die Bekenntnisse zum Jobpotenzial der Ökologie nur 
Sonntagsreden?
Prof. Gege: Das ist eine Frage der mangelnden Einsicht in komplexe 
Zusammenhänge bei den entsprechenden Politikern. Die Klimaproblematik
wird uns vor Herausforderungen stellen, die wir uns heute noch gar 
nicht vorstellen können. Insofern ist eine umfassende 
Klima-Vorsorge-Strategie das absolute Gebot der Stunde. Es gibt 
Branchen, die gewinnen enorm durch Nachhaltigkeitsstrategien. Dazu 
kann auch die Automobilbranche gehören: Kleinere Autos und geringerer
Spritverbrauch schmälern zwar die Wertschöpfungskette, bringen aber 
große neue Absatzpotenziale weltweit und massive CO2-Einsparungen. 
Unser Ansatz geht auch dahin, im Bereich Bauen durch Dämmung und 
alternative Energien mehr Jobs zu schaffen als wir in anderen 
Bereichen -- etwa bei den Autokonzernen -- verlieren werden. Wir 
haben 14 Millionen alte Häuser in Deutschland, von denen 12 Millionen
sanierungsbedürftig sind. Würden die Hausbesitzer die Aufträge für 
neue Fenster, effiziente Dämmungen und Heiztechnik an Handwerker 
vergeben und die Hälfte der Energieersparnis in einen Fonds 
zurückzahlen, der diese Maßnahmen finanziert, wird das 
Wirtschaftswunder gestartet und zudem das Klima geschont. Statt 
Flickwerk braucht Deutschland einen umfassenden Energieeffizienzplan,
der alle Faktoren umfasst.
Weltweit betteln Autoriesen um staatliche Hilfe, weil sie ihre 
Spritschlucker nicht mehr los werden. Fehlt es den Unternehmen nicht 
nur an Bewusstsein für eine effizientere Produktion, wie Sie 
diagnostizierten, sondern auch am Willen, ,,grüne Produkte" 
herzustellen?
Prof. Gege: An diesem Punkt muss man auch die Verbraucher in den 
Blick nehmen. Wäre die Nachfrage nach starken PS-Autos geringer und 
die nach Hybridfahrzeugen und spritsparenden bzw. Elektro-Autos 
höher, hätten die Automobilgiganten längst umgeschwenkt. Letztlich 
müssen wir alle bescheidener werden. Wir brauchen neue Lebens- und 
Konsumstile, wenn der Planet überleben soll.
Kann diese neue Bescheidenheit noch durch Überzeugung erlangt 
werden oder verlangt der Klimakollaps nach Zwangsmaßnahmen?
Prof. Gege: Wir haben noch etwa 30 Jahre Zeit für die Anpassung. Und 
da Anzeichen für einen Bewusstseinswandel überall festzustellen sind,
bin ich noch optimistisch. Im Bereich erneuerbare Energien entstanden
in Deutschland 250000 Jobs. Sollte der Staat Konjunkturprogramme 
lieber in diesem zukunftsträchtigen Bereich inves"tieren? Prof. Gege:
Selbstverständlich. Würde der Staat Milliarden Euro in die Hand 
nehmen, um alternative Energien und Effizienzsteigerungsprogramme zu 
fördern, statt Kohle, Atom usw. zu finanzieren, wäre das wirklich 
zukunftsträchtige Politik. Hier schlummert Potenzial in einem Volumen
von mehreren 100 Milliarden Euro. Investiere ich hier, schaffe ich 
sichere Arbeitsplätze und mindere die Abhängigkeit von Öl und Gas.
Kritiker monieren, dass erneuerbare Energien ohne staatliche 
Beihilfen nicht marktfähig werden. Haben sie Recht?
Prof. Gege: Ja, ohne Subventionen hätte man Solarenergie oder 
Windkraft nicht auf den Markt gebracht. Aber hier zählt die 
langfristige Perspektive: Die Anschubfinanzierung bekommt der Staat 
letztlich zurück über höhere Steuereinnahmen, die ihm erfolgreiche 
Unternehmer und in Lohn und Brot befindliche Arbeitnehmer 
verschaffen. Zudem sind die erneuerbaren Energien irgendwann so 
effizient, dass sie keiner Förderung mehr bedürfen. Anders als etwa 
die Atomindus"trie, die nach wie vor am staatlichen Tropf hängt. 
Werden aber alle Energieeffizienz- und Einsparpotenziale genutzt, 
brauche ich keine Atomenergie mehr und erspare mir das 
Entsorgungsproblem.
In Ihrem Konzept soll eine "Zukunftsanleihe", eine Art Öko-Soli 
der Bürger, eine Klima-Offensive tragen. Ist der Klimawandel nicht zu
dramatisch, um noch auf Freiwilligkeit zu setzen?
Prof. Gege: Mag sein, aber als Marktwirtschaftler versuche ich 
lieber, gemeinsam mit allen etwas zu bewegen. Die Zukunftsanleihe 
appelliert aber nicht in erster Linie an den Gemeinsinn -- ist also 
kein "Soli" -- sondern an das Gewinnstreben. Die Bürger legen ihr 
Geld im Zukunftsfonds an wie auf dem Sparbuch, nur dass sie hier fünf
Prozent Zinsen garantiert kriegen. Der Fonds gibt jedem Geld, der 
energieeffiziente Maßnahmen durchführen will. Von den Einsparungen 
zahlt der Bürger beziehungsweise die Unternehmen die Hälfte in den 
Fonds zurück. Ein wunderbar einfaches System, das Arbeitsplätze in 
Handwerk und produzierendem Gewerbe schafft. Zudem hat der Anleger 
das gute Gefühl, dass sein Geld zur Energie- und CO2-Einsparung 
beiträgt.
Richtet sich der Zukunftsfonds nur an den Bürger oder auch an 
Unternehmen?
Prof. Gege: Er steht allen offen -- in erster Linie zwar den Bürgern,
aber auch der Indus"trie und Stiftungen. Je mehr Kapital 
zusammenkommt, desto massiver kann man dem Klimawandel begegnen.
Sinkende Spritpreise gaukeln die Unendlichkeit fossiler Ressourcen
vor. Schläft in der Krise die Bereitschaft zur Energiewende ein?
Prof. Gege: Hoffen wir es nicht. Denn in der Tat wird der Überfluss 
nur vorgegaukelt. In 40, spätestens 50 Jahren wird die Nachfrage nach
Öl viel größer als das Angebot. Statt sechs Milliarden Menschen 
werden dann neun Milliarden Ressourcenhunger haben. Neue große 
Ölfelder werden aber schon seit längerem nicht mehr gefunden.
Größere Energieeffizienz und dezentrale Blockheizkraftwerke 
mindern die Profite der Stromkonzerne. Blockieren sie deshalb eine 
Energiewende?
Prof. Gege: Ja, hier ist eine Liberalisierung des Energiemarktes 
durch eine Freigabe der Netze überfällig. Bisher haben wir ein 
Oligopol von vier starken Anbietern, die sich den Markt aufteilen. 
Das muss aufgebrochen werden. Gelingt dies, wie zum Beispiel im 
Telekommunikationsmarkt, würden die Energiekosten fallen. Warum 
müssen die Energieversorger ihre Milliardengewinne jedes Jahr noch 
steigern? Begründet wird dies mit den Investitionen in neue 
Kohlekraftwerke samt CO2-Abscheidung. Allerdings ist diese 
Technologie überflüssig, wenn man massiv in Energieeffizienz und 
Erneuerbare Energien investiert. Und wer sich dort Kompetenzen 
aneignet, besteht auch auf den neuen Märkten in Osteuropa und Asien, 
deren Nachfrage nach neuer Umwelttechnologie wächst.
Nicht jeder Standort ist für jede erneuerbare Energie geeignet. 
Braucht Europa ein entsprechendes Management?
Prof. Gege: Ja, die strategische Verteilung von Sonnen- und 
Windenergieprojekten oder dem Anbau von Energiepflanzen kann man 
nicht dem Markt überlassen. Entsprechend hat die EU auch ihre 
Klimastrategie formuliert: Die einzelnen Staaten bekommen zwar 
Vorgaben für die CO2-Reduktion, aber es ist ihnen überlassen, wie sie
diese erfüllen. Die größten Potenziale für den Ausbau der 
Solarenergie liegen natürlich in Südeuropa. Mit einem Bruchteil des 
in der Finanzkrise verbrannten Kapitals hätte man gigantische 
Solarkraftwerke in der Sahara bauen können, die ihren Strom über 
Leitungsnetze nach Westeuropa transportieren.
Kann Deutschland ein ökologisches Wirtschaftswunder gegen 
konkurrierende Nationen gelingen, die Profite auf Kosten der Umwelt 
erzielen?
Prof. Gege: Selbstverständlich. Die Verfolgung einer ambitionierten 
Klimastrategie samt Zukunftsfonds würde sich für Deutschland als 
Standortvorteil erweisen. Denn die Sanierung aller Privat- und 
öffentlichen Gebäude, die Optimierung der Produktionsprozesse, der 
Einsatz energieeffizienter Geräte, Pumpen, Motoren, Druckluft, 
Beleuchtung usw. sowie die Durchsetzung eines nachhaltigen 
Mobilitätskonzeptes mit einem attraktiven Nahverkehrsangebot könnte 
unseren Bedarf an fossilen Brennstoffen in den kommenden zehn Jahren 
um 50 Prozent verringern. Der entscheidende Punkt ist: Wir müssen es 
anpacken. Wir müssen den Willen haben, eine entschiedene Klimawende 
herbeizuführen.
Das Interview führte Joachim Zießler

Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de

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