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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: KOMMENTAR Blutbad an Schule Passt auf euch auf CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Fast jeden Morgen verabschiede ich meine
elfjährige Tochter mit den Worten: "Pass auf dich auf, das ist 
wichtiger, als dass du in der Schule aufpasst." Natürlich sind mit 
dieser väterlichen Ermahnung eher die alltäglichen Gefahren 
beispielsweise im Straßenverkehr gemeint. Niemand rechnet ernsthaft 
mit einem solch schrecklichen Ereignis, wie es sich gestern in 
Winnenden zugetragen hat. Ernst meine ich diesen Satz dennoch immer, 
wohlwissend, dass ich meine Tochter nicht vor allen Gefahren schützen
kann.
Welcher Vater lässt sein, welche Mutter lässt ihr Kind ganz ohne 
Sorge morgens aus dem Haus? Und dennoch muss man sein Kind gehen 
lassen und darf es die elterliche Sorge nicht zu sehr spüren lassen. 
Nur dann kann es sich frei und selbstbewusst entwickeln, kann es 
seinen eigenen Weg ins Leben finden. Aus demselben Grund sind extrem 
erhöhte Sicherungs- und Kontrolleinrichtungen in den Schulen, wie sie
jetzt von einigen gefordert werden, nicht zielführend.
Wollen wir wirklich, dass unsere Kinder beim Betreten ihrer Schule 
auf Waffen durchsucht werden? Jedem Kind schlägt dann jeden Morgen 
unausgesprochenes Misstrauen entgegen. Wollen wir wirklich, dass 
Kameras jede Bewegung der Kinder auf dem Schulgelände verfolgen? Dann
fühlen sie sich auf Schritt und Tritt beobachtet. Wollen wir 
wirklich, dass Klassenräume während des Unterrichts zugesperrt 
werden? Das schafft eine Atmosphäre der Unfreiheit und ein 
Bewusstsein ständiger Gefahr.
Wollen wir den wenigen Verrückten so viel Einfluss auf die 
Entwicklung unserer Kinder zubilligen? Außerdem bieten auch noch so 
viele Sicherungsmechanismen keinen absoluten Schutz. Das ist eine 
bittere Erkenntnis für einen Ort der Hoffnung, der die Schule 
eigentlich sein sollte.
Ich gebe zu, dass ich wahrscheinlich anders darüber denken würde, 
wenn meiner Tochter in der Schule schon einmal etwas zugestoßen wäre.
Die Angehörigen und Freunde der Opfer von Winnenden, denen mein 
ganzes Mitgefühl gilt, wären sicher froh, wenn ihr Kind zum Beispiel 
in einem abgesperrten Klassenzimmer unterrichtet worden wäre, so dass
der Mörder keinen Zugang gehabt hätte. Betroffenheit ist aber nicht 
der richtige Ratgeber.
Bevor das Leben und die Freiheit unserer Kinder eingeschränkt wird, 
muss die Frage erlaubt sein, warum so viele Waffen in Deutschland im 
Umlauf sind. Grobe Schätzungen der Polizei gehen von zehn Millionen 
registrierten und weiteren zehn Millionen illegalen Waffen aus. Im 
Hause der Eltern des Täters gab es 15 (!) Schusswaffen. Eine war 
nicht sicher genug verwahrt. Trotz eines verschärften Waffenrechts 
ist der Zugang zu den potenziellen Mordinstrumenten immer noch zu 
leicht.
Solche Einschränkungen geben jedoch genauso wenig eine Garantie, dass
es keine Amokläufe mehr geben wird, wie mehr Psychologen und 
Sozialexperten an den Schulen, die derzeit ebenfalls gefordert 
werden. Die Tat steht den Tätern nicht auf der Stirn geschrieben. Es 
bleibt uns Eltern, die Kinder zu informieren; den Schulen, diese 
Situationen zu üben; den Lehrern, wachsam zu sein und gemeinsam den 
Kindern zu sagen: "Passt auf euch auf."

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell

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