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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: Neue Westfälische Bielefeld: KOMMENTAR Schwarz-gelbe Koalition Krisensymptome ALEXANDRA JACOBSON

Bielefeld (ots)

Zunächst schien alles darauf hinzudeuten, dass
Franz Josef Jung an seinem Stuhl kleben und sich die Kanzlerin in der
Kundus-Affäre auf ihre Fähigkeit des Aussitzens besinnen würde. Doch 
es kam anders. Dass Jung unerwartet rasch die Konsequenzen gezogen 
hat, ist vor allem ein Verdienst der Opposition, die konzentriert und
kraftvoll für dieses Ziel gestritten hat. Jung musste aber auch 
deshalb schnell gehen, weil sein Verbleib den Eindruck von 
Dilettantismus, der die schwarz-gelbe Regierung in ihren ersten vier 
Wochen hartnäckig begleitet, dauerhaft verstärkt hätte. Dass ihnen 
aus Berlin kein Rückenwind, sondern ein Orkan ins Gesicht bläst, 
befürchten Jürgen Rüttgers und Andreas Pinkwart in Düsseldorf 
sowieso, die um die eigene schwarz-gelbe Mehrheit bei der 
Landtagswahl im kommenden Mai zittern. Die FDP in Düsseldorf 
beschwert sich bereits über eine Belastung des eigenen Wahlkampfs.
Angela Merkel musste also rasch reagieren. Anders als zu Zeiten der 
Großen Koalition gewinnt die Opposition ein neues Gewicht im 
Parlament - und das ist gut so. Die Regierung kann es sich nicht 
leisten, sie zu ignorieren. In der Opposition scheint nun sogar die 
SPD,die nach der Bundestagswahl am Boden zerstört war, wieder 
Gefallen an der Politik zu finden.
Merkel hat in der Vergangenheit manches schleifen lassen. Das hat 
sich nun gerächt. Es war unverständlich, dass sie Jung noch einmal 
als Minister in ihr Kabinett hievte. Schon als Verteidigungsminister 
hat der Hesse eine bemerkenswert schwache Figur abgegeben. Merkel 
hätte Jung elegant loswerden können, aber offenbar wollte sie keinen 
Krach mit seinem mächtigen Förderer Roland Koch riskieren.
Dass die Kanzlerin die Besetzung der Ministerposten jetzt ernster zu 
nehmen scheint, zeigt ihre jüngste Entscheidung. Ursula von der Leyen
ist ein Aktivposten. Sie ist durchsetzungsfähig und kommunikativ. Im 
Arbeitsministerium kann sie sich an so schwierigen Themen wie der 
Reform der Jobcenter abarbeiten. Ob Kristina Köhler allerdings eine 
geeignete Familienministerin ist, wird sich noch zeigen. Dass sie aus
Hessen stammt, reicht nicht aus. Man kann nur hoffen, dass es für 
diese Besetzung bessere Gründe gibt als der regionale Proporz.
Die Affäre um Franz Josef Jung ist nun erst einmal ausgestanden. Doch
die neue Regierung hat noch mit anderen Verwerfungen zu kämpfen. 
Krisensymptome sind unübersehbar. CDU, CSU und FDP streiten um jeden 
Spiegelstrich im Koalitionsvertrag. Nichts geht glatt über die Bühne,
Krach gibt es etwa um die Steuersenkungen, die Gesundheitspolitik, 
das Betreuungsgeld. Schon fragt man sich, ob es hier nur um 
Startschwierigkeiten geht oder ob der Vorrat an Gemeinsamkeiten 
tatsächlich spärlicher ist als gedacht.
Merkel hat gesagt, sie wollte Kanzlerin aller Deutschen sein. 
Zunächst wäre es gut, wenn sie es schaffte, die Chefin ihrer 
Koalition zu sein. Die eine Linie durchsetzt, hinter der sich die 
eigenen Leute versammeln können. Das ist im Moment nicht der Fall.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell

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