Neue Westfälische (Bielefeld): Die große Krise Es geht uns gut CARSTEN HEIL
Bielefeld (ots)
Deutschland ist ein starkes Land. Ein Land, in dem sich die große Mehrheit der Einwohner viel leisten kann, weil sie viel leisten. Und weil die Menschen in Deutschland gelernt haben, sich klug und beweglich auf unterschiedliche Situationen einzustellen. Trotz des jüngst beobachteten Führungsversagens im Land weisen viele Daten wieder nach oben. Die große Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Monate haben die Deutschen überraschend gut weggesteckt. Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist: Die Sozialpartner haben zusammengehalten. Die Gewerkschaften sind nicht mit übertriebenen Lohnforderungen aufgetreten, haben nicht übermäßig gegen Leih- und Zeitarbeit gewettert, die einen atmenden Arbeitsmarkt ermöglicht. Und die Unternehmen haben trotz dünner Auftragslage nicht sofort auch die Belegschaften ausgedünnt. Sie wissen, dass sie ihre guten Leute in Zukunft noch dringend brauchen werden. Die meisten haben von ihren Besitzständen durch die Krise nichts verloren, es geht den Deutschen gut. Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken. Griechen, Portugiesen und andere Europäer wären froh, wenn sie unsere Probleme hätten. Das registriert jedoch kaum jemand. Die Krise ist vorbei, und keiner merkt's. Alle sehen überall nur Probleme und übersehen dabei die positiven Zeichen. Sogar die Bundesregierung ist nicht in der Lage, die gute Nachricht, dass aufgrund des robusten Arbeitsmarktes 20 Milliarden Euro weniger Kredite aufgenommen werden müssen, auch als solche zu verkaufen. Schon bricht innerhalb der Regierung wieder ein Streit los - wieder um eine mögliche Steuersenkung. Klagten alle Beteiligten bis vor kurzem noch über Massenarbeitslosigkeit, wird plötzlich der Fachkräfte- und Lehrlingsmangel zur Bedrohung. Das verstehe, wer will. Hauptsache jammern. So seien wir Deutschen eben veranlagt, sagen Experten. Spätestens seit der Romantik (18./19. Jahrhundert) seien wir ein Volk von Schwerblütern, die das Leben nicht zu genießen wissen und die freudlos vor sich hin leben. Die Fußballfans beim Public Viewing beweisen das Gegenteil: Trotz magerer Fußballkost gegen Ghana (Achtung: Mäkelei) feiern sie unbeschwert den Einzug der deutschen Nationalmannschaft ins Achtelfinale der WM und sich selbst. Gut so. Selbst wenn Löws Elf ausscheiden sollte, wäre das kein Grund, in Depression zu verfallen. Dann kann man immer noch sich selbst hochleben lassen. Im wirklichen Leben jenseits des Fußballs täte es auch gut, optimistischer zu sein. Gute Stimmung macht Lust auf mehr. Wer sich aber mit Unternehmern unterhält, hört von "nur gebremstem Optimismus". Immerhin. Nachlassen dürfen Regierung, Unternehmen und Arbeitnehmer natürlich nicht. Die Sparbemühungen in Berlin müssen sozial korrigiert und fortgesetzt werden, die Unternehmen müssen weiter auf die Innovations-Tube drücken und ihre Mitarbeiter auch ohne Angst um den Job im Nacken ihr Bestes geben. Stimmung ist es natürlich nicht allein, aber Anstrengungen gelingen besser mit dem Blick auf das Positive, nicht im Starren auf die eigenen Ängste.
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