Neue Westfälische (Bielefeld): Chefsuche bei der NRW-CDU Start gelungen - Ende offen CARSTEN HEIL
Bielefeld (ots)
Wo Menschen miteinander arbeiten, kann schnell eine Atmosphäre von Neid und Missgunst entstehen. Ein falsches Wort hier, ein nicht gesprochenes dort oder die hintertragene Information durch einen Dritten vergiften das Klima. Persönliche Eitelkeiten und Sensibilitäten hindern am gemeinsamen Weiterkommen. Jeder kennt das aus seinem privaten oder beruflichen Umfeld. In der Politik sind solche Schwierigkeiten genauso zu Hause. Sie sind sogar größer und wahrscheinlicher, weil Politik immer auch Gerangel um die Macht ist. Da begegnen sich alle Beteiligten noch viel eher als Konkurrenten und nicht als Kollegen. Deshalb macht folgende spaßige Steigerung die Runde: Feind, Erzfeind - Parteifreund. Wenn die CDU in Nordrhein-Westfalen in diesen Wochen einen neuen Landesvorsitzenden sucht, spielen solche Empfindlichkeiten eine wichtige Rolle. Norbert Röttgen und Armin Laschet galten lange Zeit als eng befreundet. Diese Freundschaft dürfte jetzt arg lädiert sein. Das absprachewidrige Vorpreschen Laschets zusammen mit Fraktionschef Karl-Josef Laumann und Generalsekretär Andreas Krautscheid, in dem er vor der verabredeten Zeit seine Kandidatur erklärt hat, sorgt im Röttgen-Lager für Verdruss. Umso bemerkenswerter, dass beide Kandidaten sich zumindest auf offener Bühne bemühen, fair miteinander umzugehen. Ein Grund: Die bürgerliche CDU schätzt den offenen Streit nicht. Am Mittwoch in Münster bei der ersten von acht Regionalkonferenzen ging es sachlich zu. Genau das ist die Chance der am Boden liegenden NRW-CDU. Ein offener demokratischer Wettbewerb zwischen zwei Kandidaten, die letztlich beide geeignet wären, den Chefposten vernünftig auszufüllen, stärkt die Union und die Demokratie. Das große Interesse der Basis, in Münster waren mehr als 800 Parteimitglieder erschienen, macht Hoffnung. Der Mitgliederentscheid war eine gute Idee. Ob jedoch diese Hoffnung berechtigt ist, wird sich nach der Entscheidung zeigen. Der wahre Demokrat erweist sich nicht im Wahlkampf, sondern erst nach dem Sieg und nach der Niederlage. Wie gehen die Ex-Kandidaten anschließend miteinander um? Wenn der Gewinner den Verlierer einbindet und der sich seinerseits unterordnen kann, gibt es die Chance zum Neuanfang. Arbeiten beide weiter gegeneinander, droht der Partei die Lähmung. Diese Gefahr ist gerade in der CDU Nordrhein-Westfalens groß. Nach der bitter enttäuschten Hoffnung, das SPD-Stammland für weitere fünf Jahre regieren zu können, nach der Flucht von Jürgen Rüttgers am Wahlabend vor dem Wahlvolk ist die Partei in einer sensiblen Situation. Demokratischer Wettbewerb tut ihr gut, interne Raufereien können sie sehr beschädigen. Wie das ist, hat die SPD in den 90er Jahren gezeigt. Nachdem Rudolf Scharping per Urwahl Chef wurde, ließen seine innerparteilichen Gegner nicht locker und brachten ihn in langem Streit zur Strecke. Eine Mitgliederbefragung allein ist folglich keine Garantie für eine gute Zukunft.
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