Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Ärztliche Notdienste Reformstau PETER STUCKHARD
Bielefeld (ots)
In ostwestfälischen Landarztkreisen kennt man die Geschichte: "Herr Doktor, Sie müssen ganz schnell kommen, unser Opa liegt ganz schlecht." Wenn er eingetroffen ist, wird die Frage des Doktors, wo der Patient denn nun eigentlich sei, gelegentlich so beantwortet: "Och, Opa ist schon wieder auf dem Land." Eine Anekdote natürlich. Sie illustriert das zugrunde liegende Problem: In kaum einem Gesundheitssystem ist die Zugangsschwelle zu ärztlichen Leistungen so niedrig wie in Deutschland:Jeder Mensch, der sich unwohl fühlt, kann, egal wo, zu jeder Tages- und Nachtzeit ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Er bekommt sie. Daraus pauschal zu schließen, der Arzt würde zu schnell bemüht, wäre aber grundfalsch. Die Angehörigen, die bei einer Herzattacke oder einem Schlaganfall abwarten, riskieren schwere gesundheitliche Schäden, womöglich den vermeidbaren Tod des Patienten. Sie können und sollten die Feuerwehr anrufen. Dort sitzen erfahrene Leute, die weiterhelfen. Was aber tun, wenn man sich ab Mittwochnachmittag bis Donnerstagmorgen oder von Freitag 19 Uhr bis Montag 7 Uhr krank, ziemlich krank, aber nicht gerade todkrank fühlt? Dann ist zunächst und fraglos der behandelnde Arzt gefragt. Der will aber auch mal frei haben und kann sich vertreten lassen. Dafür springt ein Kollege oder der ärztliche Notdienst ein. Wer da schlechte Erfahrungen gemacht hat - von der fehlenden Telefonnummer bis zur fehlenden Kompetenz des Arztes - fährt zur nächsten Krankenhausambulanz. Ob er aus der Sicht des Versorgungssystems nun dort hingehört oder nicht, ist dem Patienten zu Recht völlig wurscht. Er braucht Hilfe. Es gibt jedenfalls viele gute Gründe dafür, dass die kassenärztliche Vereinigung den Reformstau beim ärztlichen Notdienst auflöst. Ab 2011 wird es besser. Für Patienten wie für Ärzte. Hoffentlich.
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