Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Parteitag der Linken Pyrrhussieg ALEXANDRA JACOBSON, GÖTTINGEN
Bielefeld (ots)
Oskar Lafontaine und seine Gefolgsleute atmen nach dem Göttinger Parteitag auf. Aus ihrer Sicht ist das wichtigste Ziel erreicht worden: Der ostdeutsche Reformer Dietmar Bartsch ist nicht zum Chef gewählt worden. Lafontaine hat seinen Vertrauten Bernd Riexinger durchgedrückt. Es ist aber ein Pyrrhussieg, denn der Graben, der die Realos von den Radikalen trennt, existiert weiterhin. Auf die Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger kommt eine enorme Integrationsherausforderung zu. Ob sie diese besser erledigen als das erfolglose Vorgängerduo Lötzsch/ Ernst ist fraglich. Es hat sich in Göttingen in der wesentlichen Personalfrage der autoritäre Flügel durchgesetzt, der die erheblichen kulturellen Unterschiede und atmosphärischen Verwerfungen in den eigenen Reihen brutal wegdrückt, unterpflügt und zur selbstkritischen Reflexion unfähig ist. Der reformerische und antiautoritär gesinnte Teil hat sich zwar stärker gewehrt als angenommen und im Vorfeld des Parteitags den Durchmarsch von Lafontaine an die Spitze verhindert. Der Saarländer hat Kratzer bekommen, aber er gibt trotzdem noch den großen Zampano. Lafontaines Prinzip Dampfwalze zeigte sich, als er mit einer Agitationsrede den Hilferuf von Fraktionschef Gregor Gysi niederbrüllte. Gysi hatte zuvor von Hass in der Fraktion gesprochen und davon, dass sich Mitglieder aus dem Westen gegenüber den Ostdeutschen so arrogant verhielten "wie bei der Vereinigung unseres Landes". Die Chance auf eine ehrliche schonungslose Analyse hat Gysi also präsentiert. Aber sie wurde nicht genutzt. Warum die Wahlen in NRW und Schleswig-Holstein so verheerend ausfielen, war dem Parteitag auch keine Debatte wert. Dafür hat Lafontaine seine Muskeln spielen lassen und den "Feind" besiegt. Dass die Gegner bei der Linken offenbar vor allem in der eigenen Partei sitzen, wird auf Dauer die Wähler vergraulen.
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