Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Versagen des Verfassungsschutzes Reform an Haupt und Gliedern ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Es verwundert nicht, dass manche Politiker die Schlapphut-Behörde am liebsten ganz abschaffen würden. Denn was bisher an Versäumnissen hinsichtlich des Nazi-Killertrios zutage trat, spottet jeder Beschreibung. Mittlerweile versuchen ein Untersuchungsausschuss des Bundestages und drei Untersuchungsausschüsse auf Landesebene sowie ein vom Bundesinnenminister ernannter Sonderermittler Licht ins Dunkel zu bringen. Alle zusammen haben aber noch nicht beantworten können, warum der Verfassungsschutz nach Bekanntwerden der Mordserie wichtige Akten über die Thüringer Neonaziszene in den Reißwolf steckte. Auch eine Befragung des für die Aktenvernichtung verantwortlichen Beamten und des mittlerweile zurückgetretenen Chefs des Geheimdienstes, Heinz Fromm, förderte keine plausible Erklärung zutage. Dass das Schreddern aus Datenschutzgründen erfolgt sei, glaubt niemand. Fromm weiß auch nichts, hofft aber, dass allein Unvermögen dahintersteckt. Ob das Aktenchaos nur mit Dämlichkeit zu erklären ist, darf aber bezweifelt werden. Bisher konnte Kumpanei zwar noch nicht nachgewiesen werden. Aber es existiert ja noch der mysteriöse Fall eines Agenten, der sich unmittelbar vor einem der zehn Nazi-Morde an einem Tatort aufgehalten hat. Alles nur Zufall oder Dummheit? Der Verfassungsschutz darf nicht abgeschafft werden, weil er Terroristen das Handwerk legen muss. Erstaunlicherweise hat er diese Aufgabe bislang zufriedenstellend erledigt. Doch gegenüber dem Rechtsextremismus gibt es ein erschreckendes und gefährliches Versagen. Solange nicht einmal einfache Fragen glaubwürdig und überzeugend beantwortet werden können, bleibt das Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienst und den Bürgern zerrüttet. Der Verfassungsschutz braucht eine Reform an Haupt und Gliedern.
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