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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Kölner Richter verbieten Beschneidung von Säuglingen Beschnittene Toleranz RAFAEL SELIGMANN Jüdischer Autor und Publizist

Bielefeld (ots)

Während in den meisten Ländern Europas und in Nordamerika um den besten Weg gerungen wird, die Wirtschaft zu sanieren, hat die deutsche Justiz offenbar nichts Wichtigeres zu tun, als über das Für und Wider der Beschneidung männlicher Säuglinge zu urteilen. Richter des Landgerichts Köln entschieden, eine Beschneidung aus religiösen Gründen sei Körperverletzung. Diese werde nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt. Die Beschneidung entspreche nicht dem Kindeswohl. Der Körper werde durch die im Judentum obligate und im Islam regelhafte Beschneidung "dauerhaft und irreparabel verändert". Beim Urteil setzen die Juristen gemäß Paragraph 1631, Absatz 2, des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Beschneidung mit Züchtigungen, seelischen Verletzungen und Entwürdigungen des Kindes gleich. Wurde der geborene Jude Jesus von seinen Eltern Maria und Josef seelisch verletzt und entwürdigt? Oder geschah dies mit Albert Einstein, Sigmund Freud, Walther Rathenau, Henry Kissinger, Marcel Reich-Ranicki? Bleiben sie dauerhaft versehrt? Die Herren waren oder sie sind Juden. Seit 1.700 Jahren leben Juden in Deutschland. Auf diesem tiefen Niveau aber hat man sich bislang nicht gezankt. Der juristische Streit ist überflüssig wie ein Blinddarm. Er enthüllt zudem ein zuvor kaum für möglich gehaltenes Maß an Engstirnigkeit und Provinzialität. 70 Prozent der US-Amerikaner sind beschnitten, die meisten davon Christen. Kein US-Richter käme auf die Schnapsidee, eine Beschneidung unmündiger Knaben zu kriminalisieren. Denn es gibt neben religiösen auch schwerwiegende medizinische Gründe gegen den Kölner Richterspruch. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits 2007 festgestellt, dass das Ansteckungsrisiko bei HIV-Infektionen um bis zu 60 Prozent sinkt, wenn die Männer beschnitten sind. Daher empfiehlt die WHO die Beschneidung von Männern. Ähnliche Werte liegen bei Übertragungen von Keimen vor, die Gebärmutterhalskrebs bei Frauen verursachen können. In beiden Fällen handelt es sich nicht um juristische Spitzfindigkeiten, sondern um Fakten, durch die jährlich Tausende von Menschenleben gerettet werden können. In meiner Kindheit hatten wir uns einer Schluckimpfung zu unterziehen. Wie bei allen medizinischen Maßnahmen, ja bei allem menschlichen Tun, konnten und können Nebenwirkungen eintreten. Das Ergebnis war jedoch die Auslöschung der Geißel Polio. Das Urteil von Köln entspringt nicht Antisemitismus oder Islamfeindlichkeit. Der Alarmruf, dies sei das Ende des jüdischen Lebens in Deutschland, ist übertrieben. Das Kölner Verdikt bewirkt eine beschnittene Toleranz. Den Säugling schmerzt die Beschneidung - kurz. Juden und Moslems halten daran seit je fest. Wie die Christen an der Taufe. Zudem senkt die Beschneidung das Aids-Risiko bei allen. Daher wird das Kölner Urteil in einer höheren Instanz, die den gesunden Menschenverstand und das Gesamtbild zu würdigen weiß, scheitern.

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