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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Das Urteil im Breivik-Prozess in Norwegen Narben werden bleiben MATTHIAS BUNGEROTH

Bielefeld (ots)

Auf dieses Wort des Gerichts in Oslo hatte eine überwältigende Mehrheit der fünf Millionen Einwohner Norwegens gewartet: "Zurechnungsfähig" lautet der zentrale Begriff aus dem Urteilsspruch der Richter um die Vorsitzende Wenche Elizabeth Arntzen. Der Massenmörder Anders Behring Breivik ist somit schuldig, am 22. Juli 2011 77 Menschen kaltblütig ermordet und zahlreiche weitere Opfer teils schwer verletzt zu haben. Er muss die volle Verantwortung für seine Verbrechen übernehmen. Die grausamen Taten und ihre juristische Aufarbeitung haben Narben in der norwegischen Gesellschaft hinterlassen. Einige werden nie verheilen, andere wird man erst nach langer Zeit überhaupt wahrnehmen. Betroffen sind viele: Opfer und Angehörige: Die Überlebenden mussten ertragen, wie Breivik grinsend und mit geballter rechter Faust vor Gericht erschien und kaltblütig bekannte: "Ja, ich würde es wieder tun." 100 Zeugen erlebten solche Auftritte im Gerichtssaal. Justiz: Als Anders Breivik versuchte, den Gerichtssaal als Bühne für seine Hasstiraden zu missbrauchen, zog Richterin Arntzen die Notbremse: Immer wenn der Angeklagte sprach, mussten TV-Kameras und Mikrofone ausgeschaltet werden. Anwälte: Viel Ärger zog die Sozietät um Geier Lippestad auf sich, als ein inszeniertes Foto des Anwalts und dreier Kollegen in die Presse gelangte, das die Anmutung einer TV-Krimiserie hatte. Eine Entschuldigung blieb zwar aus, doch bekannte Lippestad später: "Ich habe in diesem Fall meine Seele verschenkt." Polizei und Politik: Während der beim Anschlag erst wenige Tage im Amt befindliche norwegische Polizeichef Oeystein Maeland nach massiven Angriffen der Öffentlichkeit zurücktrat, blieb Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg auf seinem Chefsessel. Der Polizei war vorgeworfen worden, sie hätte durch schnelleres Eingreifen die Attentate auf der Insel Utöya verhindern können. Stoltenberg begründete sein Verhalten damit, man wolle dem Massenmörder Breivik keine Genugtuung verschaffen. Eine große Mehrheit der Norweger sieht das genauso. Kaum ein anderes Land hätte eine solche Herausforderung wie den "Fall Breivik" so beeindruckend gemeistert wie Norwegen. Von Hass und Rachegefühlen keine Spur. Kronprinz Haakon formulierte es wenige Tage nach den Attentaten so: "Heute sind die Straßen von Liebe erfüllt." Liebe als Antwort auf ideologisch getarnte sinnlose Gewalt. Dieses Beispiel sollte in der Welt Schule machen.

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